Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon Petra » Mo 15. Dez 2008, 19:03

Hallo Maria,

ich denke nicht mal, dass diese Erfahrung sooooo neu für mich ist. Es ist wirklich viel mehr dass ich mich halt nur wieder langsam aufs Lesen einlassen kann, weil auch nur langsam meine innere Ruhe zurückkehrt. Ich habe wirklich nur das Gefühl, dass für diesen Roman (und solch einen Stil - einen ähnlichen vermute ich auch bei Virginia Woolf) für mich nicht der 100% richtige Zeitpunkt ist. Für vieles darin schon, für diesen ausufernden Stil nicht. Aber ich habe schon das Gefühl, dass es an mir liegt.

Denn Du schreibst schon ganz richtig: Wenn man es unverkrampft liest, entstehen Eindrücke und Gefühle in einem, die hier wichtiger sind, als den Satz zu zerlegen um alles mit dem Verstand zu begreifen.

Somit: Der Roman ist sicherlich zur Zeit nicht genau das richtige für mich. Aber nur an manchen Stellen. Die Szenen, die sie schildert, sind dafür umso mehr mein Ding. Und die Weihnachtsstimmung die sie hier und dort spürbar werden lässt... das passt mir gerade wiederum sehr.

Wie gesagt: Es liegt hier ganz gewiss mehr an mir als an der Autorin. Denn ihr Stil ist schon korrekt und gut und gibt einem was... wenn man sich gerade darauf einlassen kann. So sehe ich mein Leseerlebnis gerade.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon JMaria » Mo 15. Dez 2008, 20:44

Petra hat geschrieben:
Wie gesagt: Es liegt hier ganz gewiss mehr an mir als an der Autorin. Denn ihr Stil ist schon korrekt und gut und gibt einem was... wenn man sich gerade darauf einlassen kann. So sehe ich mein Leseerlebnis gerade.


Hallo Petra,

das macht doch nichts. Beim Lesen sollte man sich wohlfühlen. Alles zu seiner Zeit. *Knuddel*

Ich seh darin auch ein Nutzen für dich. Du weißt nun, dass du noch etwas Zeit brauchst für einen Erzählstil, auf den du zwar neugierig bist, aber noch nicht soweit.

Liebe Grüße
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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon steffi » Di 16. Dez 2008, 09:58

Hallo !

Oh wow, die Beispielsätze von Isabel Bolton sind ja superschön !
Henry James - du triffst es genau, JMaria ! Auch ein bißchen Virginia Woolf und James Joyce. Und deine Beispiele, JMaria, mit der Kindheit, das erinnerte mich an Katherine Mansfield.
Jetzt habt ihr mich aber neugierig gemacht !!

Von James Joyce lese ich gerade "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann". Zu Beginn spielt es auch in der Kindheit/Jugend. Allerdings wechselt er den Stil zwischen, ich nenn es mal normalem Stil, in dem er einige Begebenheiten auf der Jesuitenschule beschreibt (ähnlich dem Stil in Dubliners) und einem "Bewusstseins-Stil", der auch sprunghaft ist, aber leider ohne Assoziationen mit Gefühlen oder Natur. Da ist es manchmal schwer, sich hineinzufinden, da diese Welt (Irland, um 1890) sowieso schon sehr unbekannt ist und dies dann noch auf so subjektive Weise präsentiert zu bekommen ... *seufz*. Gerade bin ich bei einer langen Passage über Religion und ich kann nicht immer nachvollziehen, um was es genau geht.
Gruss von Steffi

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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon steffi » Di 16. Dez 2008, 10:03

So, hab grade mal nachgelesen über Bolton. Der Weihnachtsbaum klingt ja spannend ! Es ist der zweite Teil einer Trilogie, der dritte Teil wurde noch nicht ins Deutsche übersetzt. Auch Edith Wharton wird als Vorbild genannt. Das Buch wandert direkt auf meine Wunschliste !
Gruss von Steffi

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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon Petra » Di 16. Dez 2008, 10:18

Hallo liebe Maria (und liebe Steffi – sehe gerade, dass Du auch noch gerade was zum Thema geschrieben hast!),

JMaria hat geschrieben:das macht doch nichts. Beim Lesen sollte man sich wohlfühlen. Alles zu seiner Zeit. *Knuddel*


Das sehe ich - zum Glück - genauso entspannt! Ich finde es einfach nur gut zu wissen, dass es an mir liegt und nicht an der Autorin. Und an mir insofern, dass es nicht zu 100 % der richtige Zeitpunkt für mich und das Buch war. Und nicht in etwa, dass es mir so gar nicht liegt oder gefällt! Das finde ich viel wert! (Nicht zuletzt weil ich mir eben solche Passagen auch bei Virginia Woolf vorstelle, auf die ich über alle Maßen neugierig bin. So gehe ich jetzt aber noch besser vorbereitet in die Lektüre von Virginia Woolf. Und weiß auch, dass ich da ganz genau auf den Zeitpunkt achten werde, WANN ich etwas von ihr lese. Denn ich möchte es dann 100 % genießen und würdigen können und möchte es mir nicht mit ihr verscherzen, weil ich - ohne drüber nachzudenken - den falschen Zeitpunkt gewählt habe. Und auch das Buch "Schlaf ich oder wach ich" von Isabel Bolton werde ich dann angehen, wenn ich spüre, dass ich mich wieder besser auf so etwas einlassen kann. Das möchte ich aber sowieso lieber nach "Mrs. Dalloway" von Virginia Woolf lesen, denn es soll ja daran erinnern. Und da möchte ich erst mal Mrs. Dalloway kennenlernen. Hingegen "Mary und Grace" könnte ich mich vielleicht eher zuwenden, denn hier scheint Isabel Bolton ja einen anderen Erzählstil zu benutzen. Schön ist auch, dass mich unsere Diskussion hier und die Lektüre von Isabel Boltons "Der Weihnachtsbaum" nicht von Virigina Woolf abschreckt, sondern ganz im Gegenteil, mich auf sie noch neugieriger macht. Wenn auch mit dem Bewusstsein, dass ich mich damit jetzt im Augenblick wohl überfordern würde. Auf jeden Fall zeigt das, dass mir "Der Weihnachtsbaum" trotz nicht ganz gut gewähltem Lesezeitpunkt sehr gut gefällt!)

Gefällt mir auch wirklich! Ich habe gestern auf der Rückfahrt von der Arbeit und heute auf der Hinfahrt wieder weiter gelesen. Und wieder viele interessante Gedanken aufgegriffen und Dinge über das Innenleben der Figuren erfahren. Sehr gefallen haben mir die Gedanken über den Krieg. Sowohl in ein Weihnachtslied reingedichtet, als auch in Larrys Gedanken über die Menschen, die immer weiter machen (auch bei der Rüstung), ohne darüber nachzudenken, dass es besser wäre, sich in eine andere Richtung zu bewegen. Isabel Boltons Blicke in die Zukunft (wie sich die Technologie entwickeln wird - besonders im Hinblick auf die Kriegsmaschinerie) waren sehr scharf und leider wahr. Auch was die Bomber angeht (die heißgeliebten Spielzeugflugzeuge von Hillys Enkel). Larry betrachtet den Lieblings-Bomber von seinem Sohn als schon überholt. Und sieht voraus, dass man immer bessere Technologien (Flugzeuge) entwickeln wird, die immer noch größere und "bessere" Bomben transporieren, als der B-29, den sein Sohn so liebt und der die Bombe nach Hiroshima getragen hat. Oder auch Annes Gedanken, die auf ihrer Zugreise mit ihrem Mann Captain Fletscher all die Soldaten sieht, die zu Weihnachten heimkehren nachdem nun endlich der Krieg aus ist. Wie verschwindend gering alle anderen Probleme im Angesicht des alles zerstörenden Krieges sind - auch die um diese Familie! In all den Beobachtungen und Gedanken sprechen in diesem Buch nicht nur die Autoren, sondern gewiss durch sie Isabel Bolton selbst. Denn wenn man sich die Entstehungszeit dieses Buchs anschaut, dann weiß man, dass man es mit einer Autorin zu tun hat, die diese Zeiten hautnah miterlebt hat und das macht diese Gedanken noch echter und wichtiger.

Besonders interessant war auch ein Kapitel über Anne mit dem Captain. Sie fragt sich am Ende des Kapitels selbst wo das wohl noch hinführen soll... berechtigte Frage, wenn man bedenkt, wo die Gründe liegen, die sie zu der überstürzten Heirat verleitet haben. Und Larry... auch eine faszinierende Figur - er fasziniert auf seine (gar nicht nette Art) jeden... Anne, Gerald... egal wie er sich ihnen gegenüber verhält.

JMaria hat geschrieben:das macht doch nichts. Beim Lesen sollte man sich wohlfühlen. Alles zu seiner Zeit. *Knuddel*


Ich zitiere dieselbe Stelle mit Absicht ein zweites Mal. Denn einmal möchte ich mir fürs geknuddelt werden bei Dir bekdanken, liebe Maria! Zum anderen möchte ich aber noch mal betonen, wie froh ich selbst bin, dass ich wieder innerlich in der Lage bin zu lesen und mich auf Bücher einzulassen. Noch nicht auf alles uneingeschränkt, aber da bin ich geduldig mit mir! Ich bin schon weit gekommen auf meinem Weg zurück ins Lese-Leben und freue mich unsagbar darüber! Denn jeder der so gern liest, wie wir hier alle, der weiß, wie schlimm es ist, wenn man sich dazu - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr in der Lage sieht! Ich habe das so sehr vermisst - und freue mich so sehr, dass es mir wieder möglich ist! :D

Liebe Steffi, das ist ja schön, dass wir Dich mit unseren Beispielen nun neugierig machen konnten! Mir liegen die Sätze zwar – wie schon gesagt – im Moment nicht ganz so sehr (weiß sie aber trotzdem zu würdigen), aber Isabel Bolton zeigt in „Der Weihnachtsbaum“ noch eine zweite Stärke: Sie leuchtet Szenen so toll aus. Wie sie (in leisen Tönen) die Beziehungen der Figuren untereinander beschreibt oder Gefühle (Weihnachten, Wohngefühl etc.) beschreibt und dadurch im Leser selbst heraufbeschwört, ist wirklich ganz toll! Wenn Dir zusätzlich die Sätze noch so sehr gefallen, dann solltest Du Dich aber bald mal mit Isabel Bolton eindecken! ;-) (Vielleicht ganz schnell noch mit "Der Weihnachtsbaum" - passt doch so schön in die Zeit!)

Edit: Ich habe - Dank Arnos Hilfe *liebwink* - meinen Avatar mal etaws winterlicher gekleidet! :mrgreen:
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon JMaria » Di 16. Dez 2008, 22:16

Hallo Steffi,

steffi hat geschrieben:Hallo !

Oh wow, die Beispielsätze von Isabel Bolton sind ja superschön !
Henry James - du triffst es genau, JMaria ! Auch ein bißchen Virginia Woolf und James Joyce. Und deine Beispiele, JMaria, mit der Kindheit, das erinnerte mich an Katherine Mansfield.
Jetzt habt ihr mich aber neugierig gemacht !!


mir ist Katherine Mansfield nicht eingefallen, obwohl ich darüber nachgedacht habe, an wen mich der Stil in "Mary und Grace" erinnert. Jetzt wo du K.M. erwähnst ist mir alles klar! :)


Steffi hat geschrieben:Von James Joyce lese ich gerade "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann". Zu Beginn spielt es auch in der Kindheit/Jugend. Allerdings wechselt er den Stil zwischen, ich nenn es mal normalem Stil, in dem er einige Begebenheiten auf der Jesuitenschule beschreibt (ähnlich dem Stil in Dubliners) und einem "Bewusstseins-Stil", der auch sprunghaft ist, aber leider ohne Assoziationen mit Gefühlen oder Natur. Da ist es manchmal schwer, sich hineinzufinden, da diese Welt (Irland, um 1890) sowieso schon sehr unbekannt ist und dies dann noch auf so subjektive Weise präsentiert zu bekommen ... *seufz*. Gerade bin ich bei einer langen Passage über Religion und ich kann nicht immer nachvollziehen, um was es genau geht.


du liest ja etwas ganz außergewöhnliches, Steffi. An das "Portät eines Künstlers ..." habe ich mich noch nicht so recht rangetraut. Schon beim Lesen in seiner Biographie über dieses Werk, war ich etwas abgeschreckt. Wenn man bedenkt, dass "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann" aus "Stephen der Held" entstanden ist, ist die Verwirrung noch kompletter für mich. Im Stil sollen sich beide überhaupt nicht ähneln. Wenn J.J. in "Stephen der Held" noch in alter Tradition schreibt (wenn ich mich noch recht erinnere), muß das "Porträt ....", wie du es beschreibst, so ein Zwischending sein.

Nach dem "Ulysses" sollte mich ja nichts mehr schrecken, doch das "Porträt des Künstlers...." habe ich bisher immer verdrängt. Du erinnerst mich wieder daran :shock:

Vielleicht wäre 2009 auch mal wieder ein Jahr für James Joyce. Zumal ich noch diesen Doppelband "Stephen der Held/Ein Künstler..." und noch eine Biographie ungelesen daliegen habe. Außerdem das Buch "Meines Bruders Hüter" von Stanislaus Joyce.

Steffi hat geschrieben:Gerade bin ich bei einer langen Passage über Religion und ich kann nicht immer nachvollziehen, um was es genau geht.


also typisch James Joyce :D

Liebe Grüße
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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon steffi » Mi 17. Dez 2008, 11:14

Hallo Maria,

das Buch hat nur 280 Seiten und ich bin heute morgen fertig geworden.
Ein bißchen ähnelt es auch Proust, nur dass eben bei Proust die Gedanken noch erläutert werden und in einen Zusammenhang gebracht, auch logisch aufgebaut. Bei Joyce sind die Passagen, die sich in seinem Kopf abspielen, wirklich nur ungefiltert seine Gedanken. Nichts drumrum. Manchmal Sätze ohne Subjekt oder nur Verben und Adjektive, manchmal wie Tagebuchausschnitte, manchmal Reflektionen über ästhetische Theorien. Aber es steckt eine ungeheure Kraft dahinter, die Kraft, die ihn wohl auch dazu bewog, alles hinter sich zu lassen und alles zu ertragen, um seinen Stil zu entwickeln. Während Proust das ganze mehr in der subjektiven Gefühlswelt ansiedelt, die er versucht, allgemein zu beschreiben (also vielleicht auch eher wissenschaftlich), bleibt es bei Joyce rein intellektuell.

Es ist verblüffend, wie ähnlich und doch wie unterschiedlich die beiden sind. Das Buch hat mir erstaunlich viel gezeigt, auch den Ulysses und die Wut dahinter habe ich jetzt im Nachhinein besser verstanden. Vieles scheint bei Joyce aus der Religion zu resultieren.

Was ganz besonders heraussticht, ist der Gegensatz zwischen der manchmal aufblitzenden, absoluten Schönheit seiner Sprache und dem krassen, fast manchmal hässlichen stream of consciousness.
Gruss von Steffi

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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon Petra » Mi 17. Dez 2008, 14:38

Hallo zusammen,

in der Mittagspause habe ich „Der Weihnachtsbaum“ von Isabel Bolton beendet (mal sehen ob ich noch was längeres für die letzten Tage vor Weihnachten anfange oder was kurzes daszwischen schiebe) und möchte abschließend dazu noch ein wenig was loswerden. Vielleicht interessiert es ja jemanden. Und vielleicht kann mir auch jemand (z. B. Doris, sie hat das Buch ja kürzlich gelesen) bei meinen Fragen helfen. Mich würden jedenfalls die Eindrücke von Doris (oder wer auch sonst noch das Buch gelesen hat) dazu interessieren.

Mir hat das Buch – trotz meiner Schwierigkeiten mit den stellenweise sehr langen verflochtenen Sätzen, die mit meiner noch nicht 100 % wiedergefundenen inneren Ruhe nicht so gut harmonierten – sehr gut gefallen! Vielen Dank an dieser Stelle an Dich noch mal liebe Doris für diesen Tipp!

Auch zum Ende hin erzeugt die Autorin intensive Eindrücke. So richtig festmachen kann man sie nicht, dazu sind sie zu flüchtig oder wenig greifbar. Ich habe irgendwo auch gelesen, dass das das Buch (oder Isabel Bolton die Autorin) der unausgesprochenen Worte ist. Das passt sehr schön. Einiges kann man – oder muss man – sich erahnen, erspüren.

Zum Schluss hin vermischt sich die persönliche Tragödie der hier agierenden Figuren mit dem Zustand der Welt, die gerade einen Krieg enormen Ausmaßes hinter sich hat. Auch das ein gleichzeitig intensiver als auch flüchtiger Eindruck, den die Autorin hinterlässt.

Achtung. Nun folgt eine Frage, die ich mir stelle, die an die gerichtet ist, die das Buch schon gelesen haben. Es ist hier ein kleiner Spoiler enthalten. Verdirbt nicht den Lesespaß, aber ich verrate hier eine Kleinigkeit, die erst im Verlauf des Romans klarer wird: Greifbar wird auch zu keiner Zeit so recht, in wie weit Hilly Larry mit seiner Liebe zu sehr erdrückt hat. Hierin liegt ja anscheinend die (vermutete) Ursachen allen Übels in Larrys Leben. Aber wie weit ging ihre Mutterliebe? Hat sie ihn „nur“ völlig für sich vereinnahmt und ihm alles aufgedrückt, was sie sich für sich einst erträumt hat? Oder ging ihre Liebe weiter… wurde sie gar körperlich?

Und noch ein Spoiler – Vorsicht: Die Autorin hat Hilly und Larry am Schluss hin zu zwei Verbündeten gemacht. Hilly steht voll und ganz zu Larry, zum Entsetzen von Anne und Gerald. Das war auch eine der intensiven Stellen im Buch. Wie die Autorin ein Band um beide legt und sie somit zu einem verschmelzen lässt, gegen den Rest, der außen vor steht. Und so war es ja auch in Larrys gesamten Beziehungsleben. Egal ob Anne oder Gerald oder sonst wer: Sie standen immer außerhalb. Er hat sie offenbar nie in sein Leben eingelassen. Anders mit Hilly. Mit ihr muss ihn wirklich etwas Besonderes verbinden.

Wäre schön, wenn ich mich noch ein klein wenig über das Buch austauschen könnte. Falls es eine längere Antwort darauf geben sollte, gerne auch in einem separaten Thread.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon Doris » Mi 17. Dez 2008, 19:12

Hallo liebe Petra,

wie du schon so schön erwähnt hast, überläßt uns Frau Bolton viele Dinge die nicht ganz klar sind, über die wir uns Gedanken machen.
Die Liebe zwischen Hilly und Larry ist ein ganz festes Band, das glaube ich auch, aber ich glaube nicht dass dies irgendwann "körperlich" war. Ob sie ihn mit ihrer Liebe erdrückt hat wage ich nicht zu beantworten. Sicher ist für mich nur, dass diese Bande ganz typisch sind für alleinerziehende Mütter eines Sohnes. Mag sein dass ich hier falsch liege, aber das ist mein Eindruck.

Die Geschichte so wie sie endet, hat mich erschreckt, und doch war es ab dem zweiten Teil nahezu greifbar. Ich hatte nur eine andere Person vermutet, nämlich den Geliebten.
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Re: Gerade auf dem Nachttisch - Ich lese gerade

Beitragvon Doris » Do 18. Dez 2008, 10:09

Guten Morgen alle miteinander,

gestern nachmittag habe ich "Liebesdienste" von Kate Atkinson fertiggelesen.
Wie schon in "Die vierte Tochter" hat mich ihr Erzählstil (manchmal sehr ausschweifend) fasziniert.

Das ganze beginnt mit einem Auffahrunfall in der Innenstadt von Edinburgh während eines jährlichen Theaterfestivals.
Gleichzeitig am Unfallort sind mehrere Menschen die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, deren Leben bzw. weiteres Leben sich auf ganz verrückte Art und Weise miteinander verknüpft.
Hat mir ausgesprochen gut gefallen.

So, und dann durfte sich am Abend Jo Nesbo - Schneemann auf meinen Nachttisch legen. Eigentlich war er noch nicht an der Reihe, aber das Abgabedatum in der Stadtbücherei rückt näher und lesen wollte ich ihn ja sowieso.

Herzlichst, Doris
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