Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizisten

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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon JMaria » Di 1. Dez 2015, 12:11

steffi hat geschrieben:Ich bin mit dem ersten Teil fertig. Mir gefällt die doch recht flotte Schreibweise und trotzdem gibt es immer wieder Beschreibungen, die 'mehr' haben.

Amalfitano und Rosa sind jetzt in Santa Teresa und ich finde, es ist eine etwas andere Sicht als in 2666. Persönlicher vielleicht und nicht so modern ?



Hallo Steffi,

ich habe auch das Gefühl, dass Amalfitano Liebschaften persönlicher, aufrichtiger, aber nicht zu intensiv, beschrieben werden.

:?: Auf der anderen Seite wird die Moderne subtil versteckt, z.B. der erwähnte Larry Rivers ist der Gründerväter der Pop Art, wenn man diese Richtung zur Modernen zählen darf :?: oder die Nennung Frank O'Hara, dessen Werk früher als provokant angesehen wurde. Überhaupt wird oft Malerei und Dichtung erwähnt, habe ich das Gefühl, während ich das hier schreibe.

Den 1. Teil habe ich auch beendet und befinde mich im 8. Kapitel des 2. Teil.

Einen Text möchte ich noch herausstellen, den ich für wichtig halte. Ich glaube, es ist auch eine versteckte Andeutung seines eigenen Werkes...

Ende Kapitel 6 (2. Teil)

(...) „Dann stellte er sich Castillo beim Malen vor, mit so viel Elan, so viel Hingabe, ein hübscher Junge, ..... „einschlief und von Mischlingsausstellungen träumte, wo sich das Falsche und das Authentische, das Ernste und Verspielte, das wirkliche Werk und sein Schatten umarmten und gemeinsam in Richtung Zerstörung marschierten.“


Auszug aus: Bolaño, Roberto. „Die Noete des wahren Polizisten.“ Carl Hanser Verlag
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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon steffi » Mi 2. Dez 2015, 13:03

JMaria hat geschrieben:Ende Kapitel 6 (2. Teil)

(...) „Dann stellte er sich Castillo beim Malen vor, mit so viel Elan, so viel Hingabe, ein hübscher Junge, ..... „einschlief und von Mischlingsausstellungen träumte, wo sich das Falsche und das Authentische, das Ernste und Verspielte, das wirkliche Werk und sein Schatten umarmten und gemeinsam in Richtung Zerstörung marschierten.“


Auszug aus: Bolaño, Roberto. „Die Noete des wahren Polizisten.“ Carl Hanser Verlag


Du hast Recht, das beschreibt sein Werk ganz gut, denke ich !

Authentisch ist auch das richtige Wort, das du für Amalfitano gefunden hast.

Auf der anderen Seite wird die Moderne subtil versteckt, z.B. der erwähnte Larry Rivers ist der Gründerväter der Pop Art, wenn man diese Richtung zur Modernen zählen darf :?: oder die Nennung Frank O'Hara,


Und detektivisch hast du dich auch betätigt, danke für die Erläuterung. :D Literarische Hinweise auf jeden Fall, denn Padilla als Autor, der nicht weiß, ob er sein Werk noch fertigbringt erinnert ja ein bißchen an Bolano selbst. Und Castillo der Kunstfälscher, da stellt sich mir auch die Frage, was an der Kunst/Literatur ist überhaupt echt. Und ordnet sich alles der Gewalt unter - denn ich denke, dass das bestimmt auch noch thematisiert wird.

Ich komme ebenfalls zum 8. Kapitel.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon JMaria » Do 3. Dez 2015, 15:21

Hallo steffi,

man könnte sich vermutlich noch viel mehr detektivisch betätigen, denn ich las in einem Artikel, dass er im ".... wahren Polizisten" gerne mal aus den "..wilden Detektive" zitiert. Darin gibt es ja eine Gruppe von Kunst/Literaturstudenten, die sich "Realviszeralisten" nennen, darunter auch ein Arturo Bolano ;)

Aber dazu müsste man ja auch erstmal die Wilden Detektive kennen.

Padilla hat sich einer Gruppe der "Barbarischen Literaten" angeschlossen. Universität und Gruppierungen tauchen doch immer wieder in Bolanos Werk auf.

Und Castillo der Kunstfälscher, da stellt sich mir auch die Frage, was an der Kunst/Literatur ist überhaupt echt. Und ordnet sich alles der Gewalt unter - denn ich denke, dass das bestimmt auch noch thematisiert wird.



Guter Gedanke!
Darauf werde ich achten.

Acrimboldi" wurde nun auch bereits genannt.
Das Rätselhafte, das immer im Text mit schwebt, das gefällt mir am besten.


Ich komme zum 14. Kapitel/ 2.Teil
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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon steffi » Mi 9. Dez 2015, 18:00

Ich bin nun im 3. Teil, der von Rosa handelt. Es gibt etliche Hinweise auf Autoren und Literatur.

Ich finde es sehr interessant, wie Bolano durch Kunst die einzelnen Personen charakterisiert. Ich finde auch die kurzen Kapitel nicht störend, sondern sie wirken eher wie Momentaufnahmen.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon JMaria » Do 10. Dez 2015, 11:14

. Ich finde auch die kurzen Kapitel nicht störend, sondern sie wirken eher wie Momentaufnahmen.


ja, oder wie Kafkas Betrachtungen (Ein plötzlicher Spaziergang u.a.)
Stil und Symbolik ähneln sich.

2. Teil / Kapitel 25
Sie [die Studenten] begriffen, dass ein Buch ein Labyrinth und eine Wüste war. .... und sich in der Seele der Leser wie in einem weichen Gefängnis niederließen, dass dieses Gefängnis sich aber dann blähte und explodierte...


erinnert das nicht an die Worte Kafkas in einem Brief:

"Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Damit es uns glücklich macht, wie Du schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, könnten wir zur Not selber schreiben. Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns." (Franz Kafka, Briefe 1902- 1924)

--------------

Ich komme ebenfalls zum 3. Teil Rosa Amalfitano
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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon steffi » Sa 12. Dez 2015, 12:47

Hallo JMaria,

die beiden Texte hast du wunderschön nebeneinander gestellt. Man erkennt dabei gut, wie intensiv die Gedanken sowohl von Bolano als auch von Kafka sind. Ich finde auch, dass das in dieselbe Richtung geht.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon JMaria » Mo 14. Dez 2015, 16:35

Rosa Amalfitano" habe ich beendet.
Das Kapitel erzählt wie sie aufwächst. Zeitweise leben sie und ihr Vater wie in einer verzauberten, provisorischen und glücklichen Welt als sie in Santa Teresa ankamen.

Humorvoll fand ich die Szene, als ihr Vater ihr von seiner Homosexualität erzählt; er umschreibt es in einer Allegorie, die er selbst nicht versteht. Erst als Rosa ihren Vater mit seinem Geliebten in flagranti erwischt, kapiert sie es.

den vielen Autoren und Literaturhinweisen bin ich nicht nachgegangen, du etwa?

Seiten zuvor erwähnt er, dass er seinen Lieblingsautor Arcimboldi sehr lange Zeit vergaß, nun erinnert er sich wieder.

Was hatte ihn so maßlos einschläfern können? Zweifellos das Leben, das uns die notwenigen Bücher nur in die Hände spielt wenn sie unbedingt notwendig sind, oder wenn ihm ganz einfach danach war. Jetzt würde er die anderen Romane von Arcimboldi zur Unzeit lesen. - 2. Teil Amalfitano und Padilla, Ende Kapitel 27

Ich komme nun zum Kapitel J. M. G. Arcimboldi
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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon steffi » Do 17. Dez 2015, 18:13

Nein, ich hab nichts recherchiert :mrgreen:

Das Arcimboldi-Kapitel habe ich beendet. Es sind ja Romanentwürfe, wobei ich mich gefragt habe, ob es Entwürfe von Bolano sind oder etwa Romane, die es schon gibt. Rätselhaft und schon wieder Detektivarbeit. :D
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon JMaria » Do 17. Dez 2015, 18:28

steffi hat geschrieben:Nein, ich hab nichts recherchiert :mrgreen:

Das Arcimboldi-Kapitel habe ich beendet. Es sind ja Romanentwürfe, wobei ich mich gefragt habe, ob es Entwürfe von Bolano sind oder etwa Romane, die es schon gibt. Rätselhaft und schon wieder Detektivarbeit. :D



also ich sah es als eine Inhaltsangabe oder Zusammenfassung an, die Amalfitano von den Romanen erstellte, die er las. Es steht ja immer in den Überschriften dabei in wievielen Tagen er das Buch las. Heute würde man "Blog" dazu sagen :mrgreen:

in einigen dieser Werke Arcimboldis kommt übrigens vor, dass es geheimnisvoll sein soll und der gewiefte Leser vermag die Hinweise zu entdecken. Und darin ist schon auch Bolano zu erkennen, somit hast du ein detektivisches Gespür :D


z.B.
... unfähig, das offenkundige Geheimnis des Fürsten von Blaye zu enträtseln. (Kapitel 2 Hartmann von Aue)

oder

Davon, dass er sein Geheimnis nicht zu lüften vermag. (Kapitel 3 Die Neger von Fontainebleau)

Ich komme nun zu dem Kapitel Sonoras Mörder
und bin schon sehr gespannt, was wir erfahren werden.
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Re: Leserunde: Roberto Bolano - Die Nöte des wahren Polizist

Beitragvon JMaria » So 20. Dez 2015, 14:37

Hallo Steffi,

zwei Fragen zwischendurch auf die ich keine Antwort finde. Vielleicht hast du eine Idee...


Es geht um Kafka und es geht um den Begriff Tunnel in drei Texten...


2. Teil Kapitel 24 gegen Ende wird von Kafka als chinesischer Jude gesprochen.
Was das wohl bedeutet?

Hier der Text auszugsweise:

„wo hatte er das gelesen oder gesehen?, Amalfitano wusste es nicht) und begann, von einem Affen zum nächsten, der Text von Kafka, dem chinesischen Juden. Welch unterschiedliche Blickwinkel, dachte Amalfitano, der geliebte Kafka schlüpfte einfach so in die Haut des Affen; Lugones wollte ihn sprechen lassen, Kafka ließ ihn sprechen.“

Auszug aus: Bolaño, Roberto. „Die Noete des wahren Polizisten.“ Carl Hanser Verlag


:?: :?:


Der Begriff "Tunnel" kommt dreimal in geheimnisvoller Weise vor bzw. ich kann ihn mir nicht erklären.

2. Teil Kapitel 1

„Amalfitano fühlte sich glücklich mit Padilla. Er sagte: Joan, Joan, Joan, eben erst verlasse ich den Tunnel, wie viel verlorene Zeit“?...



2. Teil Kapitel 27 Ende

„Ein Geschenk, bevor es zusammen mit Frau und Tochter in den Tunnel ging...


:?: :?:


3. Teil Kapitel 10
Rosa bringt den Tod ihrer Mutter und die Homosexualität ihres Vater im Traum über einen Tunnel zusammen.

„Manchmal träumte Rosa von einem sagenhaften Brasilien, in dem es nur zwei, in sich geschlossene Landschaften gab: den Urwald und das Massengrab. Der Urwald war von kopulierenden Menschen und Tieren übervölkert. Das Massengrab war wie ein leeres Opernhaus. Beide mündeten über einen langen Tunnel ins Beinhaus. Gewöhnlich wachte sie weinend auf, obwohl es sie nicht beunruhigte zu wissen, dass die Reste ihrer Mutter mit den Knochen unzähliger anonymer Brasilianer vermischt in der Erde ruhten.“
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