Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon YvonneS » Mo 24. Jun 2013, 10:09

Ach ja, die kleinen Trompeterbücher! Seufz! Ich hatte sie fast alle und ich könnte mich heute noch in den Allerwertesten beißen, dass ich die vor unserem Umzug von Ost nach West damals alle weggegeben habe. Blöder Fehler!!! :x

"Bootsmann auf der Scholle" war auch eines meiner Lieblingskinderbücher, Benno Pludra gehörte damals zu meinen Lieblingsautoren.
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Didonia » Do 16. Apr 2015, 13:32

Nicht nur für Bücher "Gegen das Vergessen" ist meine Zeit gekommen, ich habe derzeit auch richtig Lust auf DDR-Bücher.

Mein erstes seit langer Zeit habe ich nun an den letzten beiden Vormittagen gelesen:

Lütt Matten und die weiße Muschel von Benno Pludra

Lütt Matten lebt mit seinen Eltern am Bodden. Dort leben die Leute hauptsächlich vom Fischfang. Jeden Morgen geht es hinaus zu den Reusen.
Und die Männer kommen immer mit einem Fang zurück. Nur Lütt Mattens Reuse bleibt leer. Tag für Tag. Auch die Freundin Mariken kann ihn nicht mehr trösten.
Bis eines Tages, Lütt Matten kann es kaum fassen, Mariken ihm eine Plötze zeigt, die in der Reuse war. Stolz wie Oskar trägt Lütt Matten sie durchs Dorf nach Hause. Und wartet ganz gespannt auf den Vater.
Doch der kann es gar nicht glauben, dass diese Plötze in Lütt Mattens Reuse gewesen sein soll.
So macht sich Lütt Matten des Nachts mit Vaters Boot auf den Bodden und sucht die weiße Muschel, von der es in einer Legende heißt:

Alle sieben Meere singen in der weißen Muschel. Eure Not hat jetzt ein Ende: Denn die Muschel singt euch den Frühling herbei, den Frühling, den Fisch und das Glück.


Ob Lütt Matten die weiße Muschel findet und ob seine Reuse noch Fisch fängt - lest selbst.

Eine schöne Kindergeschichte, die ich gar nicht mehr so richtig in Erinnerung hatte. Geschrieben schon 1963, aber man merkt ihr ihr Alter gar nicht an. Gespickt mit einigen plattdeutschen Sätzen, ein Platt, wie man es an der Ostsee spricht. Ich habe mich in die Heimat versetzt gefühlt.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Didonia » Do 6. Jul 2017, 10:19

Dido Hoare pausiert erst mal, da ich nun zwei Bücher mit meiner Freundin lesen möchte.

Derzeit lesen wir Spur der Steine von Erik Neutsch.

Die Ausgabe ist von 1964 vom Mitteldeutschen Verlage (Halle/Saale) und ich habe es aus der Bibliothek meines Vaters. Es ist also eines der wenigen Bücher, die schon Jahrzehnte bei mir sind.
Es war damals ein umstrittenes Buch. Ebenso wie später der Film, der nur ein paar Tage im Kino lief und dann verschwand.
Es ist kein typisches Propagandageschwafel - nein es zeigt die Probleme beim Aufbau des Sozialismus auf. Es zeigt wie schizophren oft die Vorgaben der Partei waren. Einerseits wurden Pläne vorgegeben, die aber bei der Mangelwirtschaft nicht erfüllt werden konnten, woraus dann oftmals ein Chaos entstand.

Die Geschichte spielt hauptsächlich auf der Baustelle des Chemiekombinates Schkona im Industrie-Dreieck um Halle, Schkopau und Leuna, nachempfunden der beiden großen Chemiekombinate Buna bei Schkopau und Leuna. Hier regiert Hannes Balla mit seiner Brigade. Bei Balla, so heißt es, kann man ordentlich Geld verdienen. Und er sorgt dafür, dass immer Material da ist. Und wenn sie es sich von anderen Brigaden klauen müssen.
Die Strafe dafür folgt auf dem Fuß, als Werner Horrath, seines Zeichens Parteisekretär und noch neu auf der Baustelle, dafür sorgt, dass die Truppe bei der Prämienverteilung leer ausgeht.
Auch Kati Klee, eine junge Ingenieurin, ist neu. Als Frau kämpft sie darum, auf dem Bau anerkannt zu werden.

Horrath, der in Rostock verheiratet ist und zwei Kinder hat, beginnt mit Kati eine Liebesbeziehung, die Kati sehr ernst nimmt. Sie versuchen, sie geheim zu halten, doch ausgerechnet Balla sieht die beiden eines Abends. Diese Bombe möchte er am liebsten platzen lassen, aber er lässt es noch.

Stattdessen stimmt er den neuen Plänen der Partei zu, nämlich eine dritte - die Nachtschicht - auf dem Bau einzuführen.

Auch Ballas Eltern lernen wir kennen, die einen Hof bewirtschaften und sich verzweifelt dagegen wehren, von den Genossenschaften geschluckt zu werden. Die beiden Alten hoffen vergeblich, dass Balla den Hof übernimmt, doch der stellt sich sein Leben anders vor.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Petra » Do 6. Jul 2017, 19:38

Hallo Didonia,

mir sagte das Buch gar nichts, doch Du machst mich neugierig! Danke für die ausführliche Beschreibung. Und ich wäre an weiterem Bericht interessiert, falls Du magst. Wie wirkt das Buch auf Dich?
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Didonia » Do 6. Jul 2017, 21:04

Es liest sich richtig toll, Petra. Der Neutsch hat einen schönen Schreibstil. Er versteht es, Figuren zu zeichnen, denen man nahe kommt. Ob das nun Balla ist, Horrath oder die Kati. Aber auch die Nebenfiguren.
Die Geschichte beginnt wohl Ende der 50er Jahre. 1958 wurde beschlossen, die Produktion in diesem Werk zu verdoppeln. Daher auch die Nachtschicht. Und egal, welche Schwierigkeiten es gibt - diese dritte Schicht beginnt im tiefsten Winter - der Parteisekretär Horrath lässt sie nicht gelten. Er verlangt den Männern, aber auch sich selbst, alles ab.

Die Liebesgeschichte zwischen Kati und Horrath entwickelt sich zum Problem. Kati möchte, dass er sich offen zu ihr bekennt, möchte mit ihm unter Menschen gehen. Doch er schafft es nicht mal, seiner Frau etwas zu sagen. Sie haben aus Liebe geheiratet, er musste sich ganz schön anstrengen, bis sie das erste Mal mit ihm ausging.
Kati weiß, dass ihre Mutter nicht damit leben könnte, sollte sie mit einem unehelichen Kind ankommen.
Noch dazu würde er mit der Partei Probleme bekommen, die einen einwandfreien Lebenswandel ihrer Mitglieder fordert.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Didonia » Fr 7. Jul 2017, 09:20

Mit Balla geht mit der Zeit eine Wandlung vonstatten. Nach einem Gespräch mit Horrath kommt er ins Grübeln. Und als er endlich seinen Wartburg bekommen hat, jahrelang hat er dafür jeden Monat zwei- bis dreihundert Mark beiseite gelegt, war das Hochgefühl nicht mehr ganz so hoch. Auch die Eltern wussten nun hundertprozentig, dass sich der Sohn entschieden hat, den Hof nicht zu übernehmen. Der Mutter war das schon länger klar und sie machte ihren Frieden mit ihrem Sohn. Der erlebte nun auch hautnah mit, wie die Genossenschaftsleute versuchten, den Vater zu überreden, sein Land abzugeben. Unter ihnen war auch Horrath.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Petra » Fr 7. Jul 2017, 21:41

Vielen Dank, Didonia, Du machst richtig Lust auf das Buch! Und ich fühle mich auch sehr gut informiert darüber durch Dich.

Dass Erik Neutsch so einen schönen Erzählstil hat, und dem Leser die Figuren so nahe bringt, sind zwei Kriterien, die ein großes Lesevergnügen versprechen. Ich bin gespannt auf Deine abschließenden Eindrücke. Aber vorerst viel Vergnügen beim Lesen, Didonia!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Didonia » Sa 15. Jul 2017, 16:10

Moin miteinander,

ich war zwei Wochen krank und konnte dadurch den dicken Schmöker schnell zu Ende lesen.
Kein Schmus, kein Happy-Ende-Geschnulze. Kein Wunder, dass der Film verboten wurde, zeigt die Geschichte doch auch, wie die Menschen, Parteimitglieder, die also eigentlich an die Sache glauben, am Sozialismus gescheitert sind. Wie ganze Biografien vernichtet wurden.
Ich habe das Buch ja als E-Book gelesen und im Anhang wurden noch andere Bücher von Neutsch vorgestellt, die wohl ähnlich gelagert sind. Das ein oder andere werde ich da sicher noch lesen.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Petra » Mo 17. Jul 2017, 11:47

Dass es "Die Spur der Steine" auch als ebook gibt, war mir entgangen als ich letztens danach schaute. Da stieß ich nur auf die vergriffenen Buchausgaben. Gut zu wissen, ich habe mir das jetzt mal als ebook auf meine Merkliste gesetzt. Denn was Du auch abschließend schreibst, klingt wirklich interessant!

Danke für den Bericht, und schön, dass Du die Krankheitstage wenigstens zum Lesen nutzen konntest, Didonia! Ich hoffe es geht Dir wieder gut.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Ein Buch-Projekt: Was ich in der DDR gelesen habe

Beitragvon Didonia » Mo 17. Jul 2017, 11:56

Ja, danke, Petra, es geht wieder. Es ist eine langwierige Sache, mit der ich leben muss. Aber derzeit geht es wieder.
Lesende Grüße, Anne

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