Hallo Steffi,
Hallo zusammen,
ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Du für Haruki Murakami einen eigenen Thread eröffnet hast, Steffi! Ein interessanter Autor, der einen eigenen Thread verdient, das sehe ich ganz genauso.
Danke fürs festhalten Deiner Eindrücke zu
"Hard-boiled-Wonderland und das Ende der Welt". Sehr interessant, und es zeigt einige der Facetten, die ich auch an ihm entdeckt habe. Zudem schön beobachtet von Dir, was Murakami im Leser vielleicht auslösen möchte.
Ich habe von Haruki Murakami vor Jahren sehr begeistert
"Gefährliche Geliebte" gelesen. Es war mein Einstieg. Und zum Einstieg auch sehr gut geeignet, wie mir schien. Meine Eindrücke dazu habe ich herausgesucht und füge sie nachstehend in drei verschiedenen Zitaten an, damit meine Gedanken zu dem Roman hier im Haruki Murakami-Thread versammelt sind.
Anmerken möchte ich, dass ich auch
"Mister Aufziehvogel" kenne. Das habe ich allerdings als Hörbuch (ungekürzt) gehört. Dieser Roman lag mir nicht so wie "Gefährliche Geliebte". Die surrealen Elemente nahmen mir darin zu sehr Überhand, und ich konnte irgendwann nicht mehr nachvollziehen, was der Autor mir damit wohl sagen möchte. Das fiel mir in "Gefährliche Geliebte" leichter. Da gab es auch viele Deutungsmöglichkeiten, aber sie verloren sich nicht in einer zu großen Verwirrung.
Auf
"1Q84" bin ich auch sehr neugierig. Dass Euch die Bücher so gut gefallen hatten in eurer schönen Leserunde, steigert die Lust darauf. Und ich werde zu gegebener Zeit Eure Gedanken Stück für Stück nachlesen, wenn ich die Trilogie lese.
Hier meine Gedanken zu "Gefährliche Geliebte". Ich habe mir - angeregt durch einen Austausch kürzlich mit Sonja - das Hörbuch dazu auf meinen iPod geladen, und möchte diesen Roman bald noch mal genießen. Er hat mir wirklich ausgezeichnet gefallen.
Petra hat geschrieben:“Gefährliche Geliebte“ hat einen ganz eigenen Klang. Vielleicht (ich kann mir das gut vorstellen) gilt das auch für andere Romane Haruki Murakamis. Ich glaube, er ist ein Autor mit einer eigenen Stimme. Mir gefällt sie. Sie ist so leise und man hört ihr ganz unaufgeregt, aber interessiert zu. Schön, wie er darin von etwas erzählt, was uns Menschen alle umtreibt: Leidenschaft. Und welche Kraft sie hat. Wie sehr sie uns umwirft, wenn sie in unser Leben tritt. Sie kann auf jeden Fall auch zerstörerisch sein. Hajime, den es in diesem Roman gepackt hat, frisst sie förmlich auf, obwohl er das nicht will und versucht sich dagegen zu stemmen, damit es ihm wieder besser geht, und er wieder Kontrolle über seine Gefühle und sein Leben gewinnt. Ich bin gespannt, in welche Untiefen es ihn noch zieht. Und die Menschen, mit denen er in Berührung steht. Leise, aber intensiv. Sehr schön.
Petra hat geschrieben:Es baut sich in
Murkamis „Gefährliche Geliebte“ eine ganz eigene Spannung auf. Erzeugt durch die Verwischung von Vision und Realität. Taucht Shimamoto wirklich ab und an in Hajimes Bar auf? Lebt sie? Oder ist sie tot? Erscheint sie Hajime? Oder ist sie real und hat einen schwierigen Hintergrund, so dass sie so geheimnisvoll bleiben muss? Und somit: Haben wir es mit Hajimes wirklicher Leidenschaft zu tun? Oder ist sie seit der Berührung damals sein Sinnbild für die perfekte Partinerin (das ihm fehlende Stück, das er zur Vervollkommnung braucht), und drückt nur aus, das (und was) ihm in seinem Leben mit Yukiko fehlt, das objektiv gesehen glücklich ist oder sein müsste. Und doch fehlt ja was. Ist Shimamoto das Sinnbild dessen was fehlt?
Haruki Murakami gibt dem Leser viel Spielraum für eigene Gedanken und Deutungen, und ich bin gespannt auf die Auflösung, könnte mir aber sehr gut vorstellen, dass es keine klar gibt. Was vielleicht auch besser so wäre.
An einer Stelle wird dieses Verschwimmen von Wirklichkeit und Fiktion ganz deutlich. Hajime konzentriert und fixiert sich so sehr auf Shimamoto, dass sie das einzig Wahre ist, während die Jazz-Musiker, die Gäste der Bar und die Kellner in den Hintergrund rücken, zur Kulisse werden. Sie, die wirklich da sind, werden unwahr. Zwischen den Zeilen schwingt mit, dass somit Shimamoto im Umkehrschluss unwirklich sein muss, da sie so real erscheint.
Das macht Murakami wirklich ganz toll.
Wenn man möchte, kann man die Lese-Atmophäre noch untermalen. Murakami gibt einem die Gelegenheit u. a. durch die Nennung des vermutlichen Malers (Seurat) eines Gemäldes an der Wand im Büro des Schwiegervaters. Oder auch viel Musiker und Songs, die Hajime besonders gern hört, und oft in seiner Jazz-Bar gespielt werden. Gestern habe ich aus Neugier nach Seurats Bildern gesucht, aber auch nach dem Lied Star-Crossed Lovers von Duke Ellington gesucht. Diese
Version (Hörprobe) hat mir besonders gefallen. Schön auch, dass Murakami die Bedeutung des Titels in ein Gespräch zwischen Hajime und Shimamoto einbaut, denn das Lied passt thematisch zu den beiden.
Petra hat geschrieben:Zu Murakamis „Gefährliche Geliebte“: Doris, wie schön, dass Dir das Buch damals auch so sehr gefallen hat. Ich selbst stehe, trotz dass ich das Buch bereits am Freitag beendet habe, noch völlig unter seinem Einfluss.
Am Ende hat Murakami auch die Unverlässigkeit von Erinnerungen sehr gekonnt eingearbeitet. Mich hat das alles sehr beeindruckt.
Steffi, dass Seurat in der Stilrichtung des Pointillismus (dass er diese Stilrichtung erfunden hat, wusste ich nicht) gearbeitet hat, habe ich beim Betrachten auch als sehr passend empfunden, da es einen surrealen Eindruck vermittelt. (Anmerkung: Steffis Beitrag auf den ich mich beziehe kann man
hier nachlesen.) Gedanklich habe ich es aber nicht so gut auf den Punkt gebracht wie Du. Ganz lieben Dank zu Deinen sehr passenden Gedanken dazu. Denn Du hast recht: somit gibt es zwei Wirklichkeiten, aus deren Sicht man die Bilder betrachten kann. Und somit passt es wunderbar zu den verwischten Realitäten und Fiktionen in Murakamis Roman.
Im Japanischen lautet der Titel des Romans übrigens „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“, was einen Song von Nat King Cole aufgreift, den Hajime und Shimamoto in dem Roman gern hören. Besonders dieses
westlich der Sonne verwendet Murakami wieder, in einer Geschichte, die Shimamoto Hajime erzählt. Und in dieser Geschichte findet sich wiederum ein wenig Hajimes Zustand wieder, dem auch – wie einem sibirischen Bauern in Shimamotos Geschichte - der
immer gleiche Horizont zusetzt und verwirrt. Das ist ganz eigen und toll gemacht. Alles bleibt mysteriös, geheimnisvoll, erhält für einen Moment eine klare Kontur, um sich im nächsten Moment wieder zu verwischen.