Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Josie » Do 8. Feb 2018, 22:03

Liebe Petra,

auch ich kenne keines der von dir aufgeführten Bücher. Aber ich habe mir die beiden von Heinrich Gerlach vermerkt. Sehr interessant, gerade, wie bei dir, aus persönlichen Gründen. Nur, dass ich im Gegensatz zu dir das große Glück hatte, meine beiden Großväter kennenzulernen.

Ich habe noch weitere Bücher über diese Thematik im Bücherregal stehen, aber bislang noch nicht den Mut gehabt, sie zu lesen.
Liebe Grüße
Claudia


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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Petra » Fr 9. Feb 2018, 13:23

JMaria hat geschrieben:Hallo Petra,

an deinen Eindrücken merkt man, dass du ausgiebig den Bücherbummel genossen hast :fernglas:

Ich bin bisher noch auf keines der Bücher aufmerksam geworden. Durch dich bin nun auf zwei Bücher neugierig geworden: Löwen wecken“ von Ayelet Gundar-Goshen und Wer ist B. Traven" von Torsten Seifert, wobei ich das „Totenschiff“ auch noch nicht kenne. Hab ich mir vermerkt.


Dass ich dich mit meinem Bericht auf zwei Bücher aufmerksam machen konnte, freut mich. "Löwen wecken" interessiert mich ebenfalls stark! Ein neueres Buch von Ayelet Gundar-Goshen ("Lügnerin") kam im Literaturclub gut weg.

Du fragtest letztens nach Lionel Shriver. Ich wollte nichts falsches sagen, ich war mir nicht sicher, ob ich es nicht aussortiert hatte, bei meiner letzten Ausmist-Aktion. Habe ich nicht, es steht noch im Regal, somit war mein Interesse daran offenbar noch da: In meinem Regal steht von ihr "Dieses Leben, das wir haben". Ich muss es mal wieder zur Hand nehmen, und reinlesen. Sonst kenne ich von ihr aber auch nichts. Lionel klingt tatsächlich mehr nach einem Mann.

Josie hat geschrieben:Liebe Petra,

auch ich kenne keines der von dir aufgeführten Bücher. Aber ich habe mir die beiden von Heinrich Gerlach vermerkt. Sehr interessant, gerade, wie bei dir, aus persönlichen Gründen. Nur, dass ich im Gegensatz zu dir das große Glück hatte, meine beiden Großväter kennenzulernen.

Ich habe noch weitere Bücher über diese Thematik im Bücherregal stehen, aber bislang noch nicht den Mut gehabt, sie zu lesen.


Mich freut sehr, dass du dich für die beiden Bücher von Heinrich Gerlach interessierst, liebe Josie! Sie gehen mir gar nicht mehr aus dem Kopf, besonders "Odyssee in Rot". Du hast auch persönliche Gründe, dich für die Bücher zu interessieren. Wie schön, dass du deine beiden Großväter hast kennenlernen dürfen! Meine Großväter waren beide in Kriegsgefangenschaft. Der, der vier Jahre auf Java verweilte, kehrte zurück. Der, den man im Ural in ein Lager steckte, nicht. Ich weiß über ihn rein gar nichts. Keiner erzählte darüber. Zu tief - so weiß ich heute aus erwachsener Sicht - war die Wunde über diesen Verlust. Und die ewige Ungewissheit. Erst sehr spät (da war ich schon so ca. 10 Jahre alt, also weit nachdem mein Großvater verschleppt wurde) erfuhren wir, dass er tot ist. In einem Lager im Ural gestorben. Zwei Dinge weiß ich doch über ihn: Eine Frau, die ebenfalls in dem Lager war, berichtete, dass mein Großvater ihr seine Essensration gegeben hat, als er merkte, dass er es nicht mehr schafft. Und ich weiß, dass mein Vater ihm (seinem Vater) wie aus dem Gesicht geschnitten ist (von Fotos). Und so weiß ich: Er hatte ganz gewiss wunderbare Eigenschaften, denn die muss mein eigener Vater irgendwoher gehabt haben.

Heinrich Gerlachs Bücher sprechen mich aus diesem Grunde besonders an. Schön zu wissen, dass es dir auch so geht, Josie.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Barbara » So 11. Feb 2018, 12:19

Liebe Petra,

auch ich kenne keines der Bücher. Es sind auch nicht unbedingt die Themen, auf die ich sofort aufmerksam werden würde.

Aber ich freue mich für Dich, dass Du hinsichtlch Deines "Leseplans" Zweiter Weltkrieg und alles, was sich damit verbindet, immer wieder Neues entdeckst und Dir damit Dein Wissen erweitern kannst.

Es freut mich besonders, dass Du die Ruhe und die Muße hattest, einen solch ausgiebigen Bücherbummel genießend zu erleben.
"Das Lesen eines Buches ist die Zwiesprache mit der eigenen Seele!"
B.H.

Liebe Grüße
Barbara
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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Josie » So 11. Feb 2018, 16:59

Mich freut sehr, dass du dich für die beiden Bücher von Heinrich Gerlach interessierst, liebe Josie! Sie gehen mir gar nicht mehr aus dem Kopf, besonders "Odyssee in Rot". Du hast auch persönliche Gründe, dich für die Bücher zu interessieren. Wie schön, dass du deine beiden Großväter hast kennenlernen dürfen! Meine Großväter waren beide in Kriegsgefangenschaft. Der, der vier Jahre auf Java verweilte, kehrte zurück. Der, den man im Ural in ein Lager steckte, nicht. Ich weiß über ihn rein gar nichts. Keiner erzählte darüber. Zu tief - so weiß ich heute aus erwachsener Sicht - war die Wunde über diesen Verlust. Und die ewige Ungewissheit. Erst sehr spät (da war ich schon so ca. 10 Jahre alt, also weit nachdem mein Großvater verschleppt wurde) erfuhren wir, dass er tot ist. In einem Lager im Ural gestorben. Zwei Dinge weiß ich doch über ihn: Eine Frau, die ebenfalls in dem Lager war, berichtete, dass mein Großvater ihr seine Essensration gegeben hat, als er merkte, dass er es nicht mehr schafft. Und ich weiß, dass mein Vater ihm (seinem Vater) wie aus dem Gesicht geschnitten ist (von Fotos). Und so weiß ich: Er hatte ganz gewiss wunderbare Eigenschaften, denn die muss mein eigener Vater irgendwoher gehabt haben.

Heinrich Gerlachs Bücher sprechen mich aus diesem Grunde besonders an. Schön zu wissen, dass es dir auch so geht, Josie.


Liebe Petra,

sehr berührend, die Erzähung um deinen Großvater. Und ja, man versteht erst im Erwachsenenalter, warum niemand darüber sprechen möchte. Als Kind erfasst man die Tragweite noch nicht. Tröstlich finde ich den Bericht der Frau, die mit deinem Großvater im Lager war. Gerade für die Nachkommen, die ihn nicht kennenlernen durften und die sich so ein Bild über ihn und auch über die eigene Familienidentität machen können. Wie du eben auch so treffend die äußerliche und charakterliche Verbindung zu deinem Vater herstellst.

Bei uns war der eine Großvater in russischer Gefangenschaft und kam als introvertierter, stiller, in sich gekehrter Mensch zurück, der auch nie nur ein einziges Mal ein Wort über die Erlebnisse oder gar den Krieg verlor. Mein anderer Großvater war in Rußland Sanitäter und berichtete, auch seinen Kindern, immer wieder über seine grausigen Erlebnisse auf dem Feld. Ohne böse Absicht oder sich der Tragweite bewusst zu sein, was er damit anrichtete, er war eine Seele von Mensch. Aber es war seine Art, mit dem Erlebten umzugehen. Immer wieder erlebte er die Ereignisse, auch später im Alter. Für meine Mutter und die Geschwister emotional fürchterlich. Meine Mutter gerät heute, wenn Sirenen gehen, immer noch in Panik und hatte lange Jahre bei jeder noch so kleinen politischen Konfrontation Angst vor Krieg - nur aufgrund dieser Erzählungen.

Beide Arten des Umgangs mit dem Erlebten sind so gegensätzlich und doch so intensiv. Darüber habe ich mir schon oft Gedanken gemacht und deshalb interessiert mich dieses Thema. Fürchte mich andererseits aber auch, mich damit auseinanderzusetzen.
Zuletzt geändert von Josie am So 11. Feb 2018, 17:36, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Josie » So 11. Feb 2018, 17:33

EDIT: Sorry, Beitrag versehentlich und warum auch immer, doppelt gepostet.
Liebe Grüße
Claudia


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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon JMaria » Mo 12. Feb 2018, 17:20

@Trixie

Unsere zwei letzten Beiträge habe ich in den Privaten Bereich unter „Schnelle Hilfe „
verschoben. Vielleicht weiß Petra darüber Bescheid.
Schöne Grüße, Maria
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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Petra » Do 22. Feb 2018, 19:07

Josie hat geschrieben:Liebe Petra,

sehr berührend, die Erzähung um deinen Großvater. Und ja, man versteht erst im Erwachsenenalter, warum niemand darüber sprechen möchte. Als Kind erfasst man die Tragweite noch nicht. Tröstlich finde ich den Bericht der Frau, die mit deinem Großvater im Lager war. Gerade für die Nachkommen, die ihn nicht kennenlernen durften und die sich so ein Bild über ihn und auch über die eigene Familienidentität machen können. Wie du eben auch so treffend die äußerliche und charakterliche Verbindung zu deinem Vater herstellst.

Bei uns war der eine Großvater in russischer Gefangenschaft und kam als introvertierter, stiller, in sich gekehrter Mensch zurück, der auch nie nur ein einziges Mal ein Wort über die Erlebnisse oder gar den Krieg verlor. Mein anderer Großvater war in Rußland Sanitäter und berichtete, auch seinen Kindern, immer wieder über seine grausigen Erlebnisse auf dem Feld. Ohne böse Absicht oder sich der Tragweite bewusst zu sein, was er damit anrichtete, er war eine Seele von Mensch. Aber es war seine Art, mit dem Erlebten umzugehen. Immer wieder erlebte er die Ereignisse, auch später im Alter. Für meine Mutter und die Geschwister emotional fürchterlich. Meine Mutter gerät heute, wenn Sirenen gehen, immer noch in Panik und hatte lange Jahre bei jeder noch so kleinen politischen Konfrontation Angst vor Krieg - nur aufgrund dieser Erzählungen.

Beide Arten des Umgangs mit dem Erlebten sind so gegensätzlich und doch so intensiv. Darüber habe ich mir schon oft Gedanken gemacht und deshalb interessiert mich dieses Thema. Fürchte mich andererseits aber auch, mich damit auseinanderzusetzen.


Liebe Josie,

deine Worte haben mich sehr berührt!
Was für Erlebnisse! Wir können uns das sicher nicht vorstellen. Dass so viele schweigen, zeigt mir wie tief die Verstörung ist, die ausgelöst wurde durch solche Erlebnisse! Und ja, als junger Mensch ist einem das gar nicht bewusst. Gerade auch wenn geschwiegen wird, wie soll man in seinem unbekümmerten Leben auch eine Ahnung von diesen Schrecknissen haben?

Umso stärker ist auch bei mir das Interesse an dem Thema.

Interessant finde ich auch den Umgang deines anderen Großvaters mit dem Erlebten. Das ist selten. Und vielleicht der bessere Weg, Aber sicher auch nicht einfach es zu hören. Mein anderer Großvater (der auf Java in Kriegsgefangenschaft war, und heimkehrte) hat auch nichts erzählt. Außer dass er bei der Marine war, aber nicht schwimmen konnte. Er war deshalb einer der wenigen Überlebenden, als sein Schiff sank. Er war so besorgt, dass seine Schwimmweste platzen könnte, so dass er die Strickleiter benutzt hat. Seine Kameraden sind fast alle gesprungen in ihrer Panik, und die Schwimmwesten sind tatsächlich kaputt gegangen. Mein Opa ist zwei Tage im Meer geschwommen, in seiner Schwimmweste. Er hat darüber gesagt, dass er sich nie in seinem Leben so einsam gefühlt hat. Ein U-Boot kam, und nahm ihn auf. Wenn ich es recht erinnere, geriet er dadurch in die Gefangenschaft. Aber er blieb am Leben! Und er hatte es in der Gefangenschaft, so viel ich weiß, nicht so schlecht. Und wir lieben deshalb alle Nasi Goreng. Denn er bekam das dort zu essen, und wollte das öfter mal haben. Gab es früher in Dosen, und das haben wir dann alle gegessen. Wenn ich das jetzt so erinnere, ist das so liebenswert!

Und ich weiß, dass er Weihnachten nichts abgewinnen konnte. Er saß immer still dabei, aber hat sich nicht beteiligt. Er sagte bei der Gelegenheit öfter mal, dass es Weihnachten für ihn nicht mehr gibt. Er musste an Heiligabend zuschauen, wie Engländer ertranken, deren Schiff sie bombardiert haben. An Weihnachten.

Da fällt einem wirklich nichts mehr ein, nicht wahr?!

Mir wird das alles jetzt beim schreiben noch mal so richtig bewusst. Das kratzt mich an. Aber es freut mich! Bringt mich meinem (inzwischen verstorbenen) Großvater nahe.

So nahe, wie mich die Ähnlichkeit meines anderen Großvaters mit meinem Vater mich ihm bringt. Und diese Geschichte von der Frau, die seine Essensration bekam. Genau, du hast das so schön gesagt, liebe Josie!

Weißt du, für uns sind das Geschichten. Für die Generation unserer Großväter- und mütter war es Realität. Ich kann das manchmal gar nicht fassen.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon steffi » Fr 23. Feb 2018, 13:23

@Petra: Berührt mich sehr, was du über die Erlebnisse deines Großvaters schreibst. Ungkaublich als Nichtschwimmer zwei Tage im Meer zu treiben ... Ich will mir das gar nicht ausdenken !

Mein Großvater mütterlicherseits war vom Kriegseinsatz freigestellt. Er hatte durch einen Hundebiss am Bein eine leichte Behinderung und war Automechaniker und musste bei Bombenalarm die Autos, ich vermute das waren LKW, in den Wald fahren. Mein anderer Großvater ist, bevor er eingezogen werden konnte, an einem Gehirntumor gestorben. Also kenne ich keine unmittelbare Beschreibungen, auch musste niemand flüchten. Ich weiß aber als Kind, dass die Flüchtlinge nicht gut angesehen waren und mir ist erst später bewusst geworden, was diese alles erleiden mussten.
Der Bruder meiner Oma war wenige Wochen vor Kriegsende auf Heimaturlaub und die Familie und seine Frau baten ihn eindringlich, er solle bleiben und sich verstecken. Was er nicht tat, weil sonst sein Kamerad, der mit ihm beurlaubt war, bestraft worden wäre. So geriet er in französische Kriegsgefangenschaft und kam mit Typhus nach Hause, wo er auch starb. Meine Mutter und ihre Kusine, beide sechs Jahre alt, bekamen daraufhin auch Typhus und mussten einige Wochen ins Kankenhaus.

Es ist wirklich unfassbar, wie sehr die Menschen leiden und dass es mit Krieg nicht aufhört !
Gruss von Steffi

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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Josie » Fr 23. Feb 2018, 13:40

Das ist unglaublich, Petra. Es kommen einem die Tränen. Auch, was dein Großvater über Weihnachten berichtet. Du bist gezwungen, den Kriegsgegner zu vernichten und zu töten und bist dir bewusst, dass es auch einfach nur Menschen sind, wie du selbst einer bist, die gerade ihr Leben und Familien ihre Angehörigen verlieren. Kein Wunder, dass er Weihnachten nichts Friedvolles mehr abgewinnen konnte.

Und noch unglaublicher ist, dass es, wie du schreibst, Realität war. Und heute mehr denn je wieder für viele Menschen Realität ist. Da wird einem schon ganz anders zu Mute.

Und immer wieder setzt es mich in Erstaunen, wie leidensfähig Menschen sein und welchen Überlebenswillen sie aufbringen können. Da ist dein Großvater das beste Beispiel. Wie grausam die Vorstellung, alleine und als Nichtschwimmer, auf einem Meer zu treiben. Nicht zu wissen, wird man gerettet, muss man ertrinken, wie lange reicht die körperliche und mentale Kraft. Das ist unfassbar.

Wenn man das so liest, hat man als nachfolgende Generationen schon irgendwie eine gewisse Verpflichtung, sich mit dem Thema zu befassen. Das wird einem bewusst, wenn man darüber spricht oder hier schreibt.
Liebe Grüße
Claudia


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Re: Gerade beim Stöbern entdeckt - Kennt jemand?

Beitragvon Petra » Mo 26. Feb 2018, 09:54

Hallo Josie und Steffi,

ja, die Einstellung meines überlebenden Großvaters zu Weihnachten ist allzu verständlich. Er sagte, er sah sie im Ozean, ein Arm nach oben gestreckt „help, help!“ rufen, und sie durften nicht helfen. Und das an Weihnachten. Welche Haltung soll man dann zu dem Fest noch haben. Wie du sagst, Josie, auch Menschen, die auch Angehörige haben. So traurig, so schlimm! Und diese Einsamkeit, die mein Opa empfunden haben muss, ganz allein auf dem Ozean, ist unvorstellbar!

Die Leidensfähigkeit der Menschen bestaune ich auch immer wieder, Josie. Unfassbar, was ein Mensch zu ertragen im Stande ist, nicht wahr? Die Verpflichtung sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, verspüre ich auch. Es sind unsere Großväter und Großmütter, die das erlebt haben, und es hat Auswirkungen auf die Familien gehabt. Ich verstehe einiges erst heute, schade, dass ich nicht mehr fragen kann (Omi, warum bist du so still und verbiestert? Omi, wie war es, als dein Mann nach Russland verschleppt wurde, und du mit Papa und seinem Bruder fliehen musstest?).

Steffi, was du über den Bruder deiner Oma erzählst, ist auch so schlimm! Das frage ich mich auch oft: Wie würde ich mich entscheiden? Wenn mein eigenes Leben in Gefahr ist, ich durch die eigene Rettung aber andere gefährden würde. So wie der Bruder deiner Oma seinen Kameraden gefährdet hätte. Es hat ihn das Leben gekostet. Und weitere Familienmitglieder (deine Mutter und ihre Cousine) unmittelbar auch beinahe. Eine Entscheidung, große Auswirkungen. So oder so. Unvorstellbar, nicht wahr?

Steffi, dass die Flüchtlinge nicht gut gelitten waren, glaube ich gern. Meine Omi musste mit meinem Papa und seinem (älteren) Bruder fliehen. Und auch mit ihren Brüdern und Schwestern. Sie haben sich alle hier in Nordrheinwestfalen neu angesiedelt, wurden auch unterstützt. So viel weiß ich, aber leider nicht viel mehr. Mein Elternhaus ist das Haus, das sie hier bauen durfte, nachdem der Krieg aus war. Ihre Heimat war das nicht!

Auch meine andere Oma (die Frau des Opas, der bei der Marine war) hat im Krieg einen schlimmen Verlust erlitten. Deutsche Soldaten haben sie verfolgt, weil sie dachten, sie führe sie so zu ihrem Bruder (ihr Lieblingsbruder, Pitter. Der hat wohl irgendwas ausgefressen – man sagte ein Brot gestohlen, nicht alle Verwandten waren sich einig, ob es „nur“ das war). Das tat sie auch, ungewollt. Man hat ihn erschossen.

Und mein Vater sah mit eigenen Augen (er war vier Jahre alt), als die Russen kamen, und seinen Vater mitnahmen. Mehr weiß ich nicht. Die Szene muss ja weitergegangen sein. Wer weiß was passiert ist. Keiner redete drüber. Das war dann auch die Zeitspanne, in der sie mit Pferdewagen und den notwendigsten Sachen geflohen sind.

Noch mal zu der Verpflichtung der nachfolgenden Generationen, sich damit zu befassen. Ich habe aufgrund der ungeklärten Fragen (wie war es für meine Großeltern und Eltern, die davon ja auch berührt waren) und der spürbaren Auswirkungen auf meine Familiengeschichte ein starkes Interesse an dem Thema. Aber auch wenn keine persönliche Verknüpfung da ist, so meine ich, es ist noch nicht lange her. Und es hat unsere Generation um ein Haar verfehlt. Und es passiert immer wieder auf der Welt. Somit, meine ich, unbedingt für alle interessant. Und auch was Steffi ja anspricht, die Flüchtlingsthematik, die könnte aktueller ja kaum sein.
Liebe Grüße,
Petra


Ich lese gerade: :lesen:
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Ich höre gerade: :kopfhoerer:
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