in der rororo Monographie wird gesagt, dass Musil im Gegensatz zu Rilke und Stefan Zweig seine Kriegseuphorie (1. WK) nicht verdrängte, sondern seine Auswirkungen auf sein Leben analysierte. Ein Thema in MoE. Vielleicht wird das im Laufe der Geschichte ja noch deutlicher.
Für Musil war das Todeserlebnis maßgeblich ! Soma Morgenstern kritisierte ihn deswegen mit den Worten:
«
Es stellte sich heraus, daß er [Musil] für den Krieg war, weil er im Krieg ‹das große Erlebnis des Todes› erfahren hatte. […] [Ich hielt] es nicht aus und sagte zu ihm: ‹Sie denken also, daß es gut ist, wenn Menschen getötet werden, damit der Schriftsteller Musil ,das große Erlebnis des Todes‘ auskoste? Was mich betrifft, stehe ich auf dem Standpunkt, daß es für den Schriftsteller, der ,das große Erlebnis des Todes‘ haben möchte, nur eine rechtschaffene Gelegenheit gibt, nämlich: seinen eigenen Tod.› Musil errötete bis in die Haarwurzeln –damals hatte er noch viel Haar –und schwieg eine sehr peinliche Zeit. Dann sagte er: ‹Es ist nicht meine Schuld, daß ich den Krieg überlebt habe. Aber Sie haben das Recht so zu reden, ohne einen banalen Eindruck zu machen, weil Sie selbst ein Soldat im Krieg waren –wenn auch als Schriftsteller noch zu jung, um das Erlebnis des Todes richtig einzuschätzen.›»[
Im Winter 1918/19 hungerte auch Musil und seine Frau. Das Vermögen seiner Frau und seiner Eltern wurden nach dem Krieg entwertet. Er versucht seine kürzeren Werke zu verkaufen.
Karl Otten erinnert sich:
«Im Januar 1919, in Wien, an einem bitter kalten, von Schnee durchwehten Hungermorgen, durchwanderte ich auf der Jagd nach etwas Eßbarem einen außerhalb unserer Domäne gelegenen Bezirk. Wahrscheinlich wärmte ich mich an irgendwelchen Illusionen vom Siege der Revolution, um meinen Hunger und das Gefühl der Einöde zu überwinden, als mir jemand den Weg vertrat. Erschrocken blickte ich auf –es war Musil, der, eine große Aktentasche unter den Arm geklemmt, hier auf die Trambahn wartete. ‹Ich bin mit dem Bauchladen des Dichters unterwegs›, knurrte er in seinem nasal-österreichischen Offizierston, der zu dem langen Offiziersmantel und der Kappe, die er immer noch trug, paßte. ‹Ich habe soeben das ,Fliegenpapier‘ zum x-ten Male verkauft.› Ein Glücksgefühl, das als Lächeln um seine Lippen spielte, wärmte das vom eisigen Wind gestochene Gesicht. Mich überlief außer der körperlichen Kälte noch eine seelische, da mir das ‹Fliegenpapier› neben Franz Kafkas ‹Verwandlung› als eine der großen prophetischen Wahrheiten erschien, die sich jetzt an uns, den Fliegen-Menschen, vollzog.»
„Das Fliegenpapier“ und „Die Affeninsel“ behandeln die bestialische Epoche in der die Gesellschaft steckte.
Das hat mich neugierig gemacht und habe nach den Texten gesucht...
Das Fliegenpapier, Die Affeninsel.
(einfach runterscrollen, es sind sehr kurze Texte)
http://gutenberg.spiegel.de/buch/-6941/2
Vielleicht bringt uns das Musil näher.
Ich komme zu Kapitel 70