Hallo Maria,
ich habe die verbliebenen zwei Kapitel nun auch ausgelesen.
JMaria hat geschrieben:Ja, jetzt kommen wir den Motiven näher. Ernestine hat einen Plan, den Mörder herauszulocken, jetzt wird die Handlung auch schneller. Ganz schön gewagt. Ich ahnte, dass ein Schlafmittel in Antons Kakao getan wurde.
stimmt, vor allem, da Ernestine nur eine Ahnung hat, wer der Täter ist und warum. Dieser Plan hätte leicht eine fatale Fehleinschätzung werden können.
Yvonne hat mal geschrieben, daß sie bei Ernestine und Anton stets Margaret Rutherford und Stringer Davis vor Augen hat, und nach diesem Finale wüßte ich schon einen Grund dafür, denn in jenen Verfilmungen lockt Miss Marple auch immer den Täter durch ein Indiz, das sie entdeckt hat, aus der Reserve: mit einer Spieluhr (
16:50 ab Paddington), einem Krimi (
Mörder ahoi!), einem Foto (
Vier Frauen und ein Mord) oder einem Gemälde (
Der Wachsblumenstrauß) - die Filme laufen dramaturgisch immer nach dem gleichen Schema ab wie auch hier bei Tod am Semmering mit Ernestines Plan, nachdem sie das Medaillon gefunden hat. Frau Maly hat sich aber auch merklich an Agatha Christies Büchern orientiert - ganz viele Parallelen sehe ich da besonders zu
Mord im Spiegel!-, z. B. mit einem in der Vergangenheit liegenden Motiv für die aktuelle Tat, dem Gedanken der Rache/Vergeltung/Selbstjustiz, auch daß sie ihre Ermittler (und Leser) oft Verständnis für den Täter empfinden läßt und ihn nach der Aufklärung nicht unbedingt der Gerichtsbarkeit zuführt, sondern seine eigene Wahl treffen läßt. Insofern finde ich die Bemerkung auf dem rückseitigen Bucheinband, es sei ein Krimi "wie ihn Agatha Christie nicht besser hätte ersinnen können" zumindest erklärbar.
JMaria hat geschrieben:Yvonne erwähnte, dass die Autorin manchmal moderne Begriffe benutzt, mir fiel das bei dem Wort „Depression“ auf. Ich finde, Melancholie, Schwermut, Neurasthenie wäre ein passender Begriff gewesen für Anfang des 20. Jahrhundert.
Diese Begriffe finde ich auch passender. Stellenweise fand ich ebenfalls, daß sich ihre Figuren zu modern verhielten oder äußerten. Das wundert mich aber ein wenig, ist Frau Maly doch bisher auch als Autorin mehrerer historischer Romane bekannt geworden, die sogar noch weiter zurück in der Zeit handeln. In denen würde eine Sprache, die merklich dem späten 20. Jahrhundert entstammt, schließlich noch mehr auffallen. Ob sie wohl meinte, die 1920er hätten sich nicht mehr so sehr von unserer Gegenwart unterschieden?
Über politische Korrektheit, die man falsch anwendet, habe ich mich ja schon in meinem Beitrag über die Neuverfilmung von
Partners in Crime ausgelassen: Mich ärgert es immer, wenn ich in einem Werk auf Figuren und Handlung treffe, die man in eine bestimmte Epoche versetzt, aber sie mit Sprache, Denk- und Handlungsweise der Menschen von heute ausstattet. Und ich weiß nie, ob es schlicht auf Unwissen oder Gedankenlosigkeit der Autoren zurückzuführen ist oder dem naiven (wenn vielleicht auch gutgemeinten), aber irreführenden Versuch, das "Richtig oder Falsch" oder "Gut und Böse" von heute auf alle Zeiten und Orte anzuwenden.
JMaria hat geschrieben:Ich habe das Buch beendet. Ich fand die Auflösung gut gemacht, auch dass es nicht zu dramatisch wurde, sondern man konnte auch mitfühlen. Tragisch, dass beide Buben umkamen, das hatte ich aus dem Prolog nicht herausgelesen und war eine überraschende Info.
Hat mir sehr gut gefallen.
Das Buch war ein schöner Leseausflug in eine interessante und sehr bewegte Zeit und an einen Ort, auf den ich sonst sicher nie gestoßen wäre. Wenn man über ein paar Kleinigkeiten hinwegsah, konnte man die Atmosphäre auch richtig genießen und sich von einem spannenden Fall gefangennehmen lassen. Paßt gut in einen Januar als Lektüre!
Die Fortsetzungen merke ich mir vor und bei einem passenden Angebot als Ebooks werde ich sicher zugreifen.
Danke, Maria, daß du mich mit der Reihe bekanntgemacht und mitgelesen hast!
Gruß,
Trixie