Inhalt:
Pellestrina, ein Fischerdorf
mitten in einer Lagune in der Nähe Venedigs, explodiert mitten in
der Nacht ein Fischerboot. Das Boot gehörte Giulio Bottin und
dessen Sohn Marco. Beide waren auf dem Schiff, als es in Flammen
aufging. Commissario Brunetti wird an den Ort des Geschehens
gerufen und die Bergung der beiden Toten ergibt, dass sie bereits
vorher schon tot waren: Ermordet. Giulio erschlagen und Marco
erstochen.
Brunetti ermittelt in dem
Lagunendorf, doch die Bewohner sind der Polizei gegenüber
unkooperativ. Doch da kommt Brunetti die Sekretärin des
Vice-Questore Patta zu Hilfe. Sie hat in Pellestrina Verwandte
wohnen, die sie einmal jährlich für ein paar Tage besucht. Und
da der Vice-Questore gerade auf Geschäftsreise ist, gibt es für
sie sowieso nicht viel zu tun und sie zieht kurzer Hand ihren
Urlaub vor, um sich ein paar Tage auf Pellestrina zu erholen.
Brunetti sieht sie gar nicht gern in dieser Rolle, da er Angst um
ihre Sicherheit hat. Signorina Elettra hatte jedoch schon immer
ihren eigenen Kopf...
Meine Meinung:
Immer häufiger greift Donna Leon
nach Mitteln, die ich eigentlich in anderen Serien so gar nicht
mag: Nun ermittelt auch noch Brunettis Sekretärin. Eigentlich
denke ich immer, dass so etwas nur gemacht wird, weil dem Autor
nichts neues mehr einfällt. Das mag hier ähnlicher Beweggrund
sein, denn der Kriminalfall an sich ist nicht wirklich spektakulär
oder neu. Aber Leon versteht es sehr geschickt Signorina Elettra
in die Rolle der Ermittlerin schlüpfen zu lassen, ohne dass es
unglaubwürdig anmutet. Wahrscheinlich auch durch die wirklich
dezente Art, mit der Signorina Elettra vorgeht. Nicht in etwa wie
eine Miss Marple, sondern ganz nach ihrer eigenen Art, die
Brunetti-Fans schon aus dem vorigen Bänden kennen und lieben.
Einiges Vertraute bleibt in
diesem Band ein wenig außen vor. So essen Paola und Guido
Brunetti zwar gemeinsam mit ihren Kindern, aber die Zubereitung
von Speisen, die Donna Leon so wunderbar beschreiben kann, dass
man selbst Hunger bekommt, bleiben aus. Dafür aber sucht Brunetti
viele Restaurants auf und isst allerhand interessante Köstlichkeiten
aus dem Meer, für die Pellestrina so berühmt ist, wie der Leser
erfreut feststellen darf.
Lediglich Vianello, der Sergente,
verdirbt dem Leser den Appetit. Aber aus gutem Grund. Auch diesmal
versäumt die Autorin es nicht, auf gesellschaftliche und
wirtschaftliche Skandale hinzuweisen. Und das auf ihre übliche
Art: Dezent in die Geschichte mit eingebunden.
Wo die Zubereitung von Speisen am
heimischen Herd ein wenig zu kurz kommt, so wird der Trinkkultur
jedoch gefrönt. Es werden so einige Grappa und Calvados getrunken
und machen Geschmack. So musste ich diesmal nichts nachkochen (wie
meistens während der Lektüre des neusten Brunetti-Falls) sondern
zwei, drei Grappa „mittrinken".
Doch das war nicht das einzige,
was Donna Leon an Italien-Feeling herübergebracht hat. Sondern
sie beschreibt Venedig und die Umgebung wieder anschaulich genau.
Und wenn Leichen mit Booten im Morgengrauen nach Venedig
transportiert werden, erhält das ganze eine leicht schauerliche
Note.
Für mich ist ein Wiedersehen mit
Brunetti immer wieder ein Erlebnis. Auch dieses Mal, wenn ich mir
auch wünschte, dass sich Donna Leon wieder mehr einfallen lassen
würde, was die Rahmenhandlung anbelangt. Ich wünsche mir noch
viele Krimis aus der Reihe, denn ich würde Brunetti sehr
vermissen.
Somit entschuldige ich hier allzu
gern einen mittelprächtigen Kriminalroman, weil das Beiwerk
stimmt! Wer Brunetti noch nicht kennt, sollte jeodch unbedingt die
ersten Fälle zuvor lesen. Denn wer Brunetti noch nicht verfallen
ist, den wird der Krimi sicher enttäuschen.
Anmerkung: Sehr nett und
liebenswert fand ich, dass Donna Leon Brunettis 10. Fall den
beiden Verlegern Rudolf C. Bettschart und Daniel Keel vom Diogenes
Verlag widmet. Wenn es kein Verlag verdient hat - dieser bestimmt!
Warum gerade dieser Fall dem Verlag gewidmet wurde? Ganz sicher,
weil er im Erscheinungsjahr (2002) das 50-jährige Jubiläum
feiert.
Da merkt man, dass Donna Leon
nicht bereut hat zu diesem „kleinen" Verlag zu gehen
anstatt zu einem großen (sie hatte die Wahl zwischen Bertelsmann
und Diogenes). (Petra)
Meine Meinung:
Brunetti, der diesmal nicht in
seinem vertrauten Venedig ermittelt, kommt dem Leser wie aus
seinem Wirkungskreis gerissen vor und ist kaum noch als der
Commisario erkennbar, den man aus der früheren Lektüre kennt. Überhaupt
scheint Donna Leon diesmal gar keinen Krimi geschrieben haben zu
wollen, da sie sich vielmehr in allzu ausführlichen
Beschreibungen der Landschaft und der Menschen ergeht, als eine
spannende Geschichte zu konstruieren. Ganz im Gegenteil zu den früheren
"Brunettis" zieht sich die Handlung, Spannung kommt
allemal auf den letzten Seiten auf, zu der sich dafür ungewohnte
Action gesellt.
Alles in allem - ein untypischer,
eher schwacher Brunetti. (Christa Roßmann)
Meine Meinung:
Dieser Band zählt für mich
nicht zu den Highlights der Serie, was nicht nur am eigentlichen
Fall liegt, den ich diesmal wenig interessant fand. Allerdings
lese ich Leons Bücher inzwischen ohnehin nicht mehr nur, sogar
noch nicht einmal mehr in erster Linie wegen der Krimihandlung,
ich mag vielmehr ihre Atmosphäre, ihre Sinnlichkeit, ihre Wärme
- und natürlich die Hauptfiguren. Eine neue Leon ist wie ein
Wiedersehen mit lieben Freunden, die man lange nicht gesehen hat: zwar
freut man sich, mit ihnen vielleicht etwas interessantes und
spannendes zu erleben, aber vorwiegend geht es doch darum,
zusammen zu sein. Deshalb fand ich es auch sehr schade, dass nicht
nur Brunettis Familie, sondern auch Vice-Questore Patta und die üblichen
Kollegen - mit Ausnahme von Vianello, Bonsuan und natürlich
Signorina Elettra - dieses Mal ein wenig zu kurz kamen.
Obwohl die Handlung im Frühsommer
spielt, ist die Atmosphäre des Buches insgesamt eher düster. Die
Bewohner von Pellestrina verhalten sich gegenüber Brunetti und
Vianello verschlossen und argwöhnisch, wie man es von Insel- oder
Dorfgemeinschaften gegenüber Fremden kennt, und Leon gelingt es
wie immer ausgezeichnet, diese Atmosphäre einzufangen. Trotzdem
bleibt der Fall bis auf das ebenso dramatische wie traurige Ende
eher blass, was vielleicht daran liegt, dass einem weder die Opfer
noch die Inselbewohner unbedingt ans Herz wachsen. Außerdem wird
(wenn ich nichts überlesen habe!) einer der Nebenstränge nicht
aufgelöst, eine für Leon eher untypische Unachtsamkeit.
Die Rolle von Signorina Elettra
ist um einiges kleiner, als ich es nach den Ankündigungen, sie würde
hier erstmals in die Ermittlungen einbezogen, erwartet hätte,
wird allerdings um eine private Seite ergänzt. Wie Petra oben
schon schreibt, bleibt Elettra sich selbst und ihrer Art treu und
wirkt als Ermittlerin in keiner Weise unglaubwürdig - trotzdem
habe ich ihren Anteil an den Ermittlungen bzw. der ganzen
Geschichte beinahe als geringer denn größer empfunden, schließlich
taucht sie auch in den anderen Büchern recht häufig auf und trägt
durch ihrer Computerrecherchen und ihre guten Kontakte nicht
unwesentlich zur Brunettis Ermittlungserfolgen bei.
Alles in allem kann ich mich
Petra nur anschließen: ein Muss und freudiges Wiedersehen für
die Fans, als Einstiegsdroge aber nicht unbedingt zu empfehlen. (©
Anja L. 2002)
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Brunetti und die Bücher in chronologischer Reihenfolge!!! |
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Bericht in Literarische Reisen über Bücher die in
Venedig spielen! |
Bewertung: **** (Petra)
Bewertung: */** (Christa Roßmann)
Bewertung: *** (Anja)
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 332 Seiten, gebunden,
Diogenes Verlag, 19,90 EUR
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