Banner Buecher4um
Button Home Button Rezensionen Button Neuigkeiten Button Diskussionsforum
Rezension

linie1.jpg (1098 Byte)


Inhalt:

Joe und Clarissa führen eine glückliche Ehe. An einem Tag jedoch gerät die Idylle gehörig ins Wanken, als Joe zufällig ein Ballonunglück beobachtet und beherzt eingreift. Ebenso wie ein paar andere Helfer, unter ihnen Jed Parry, ein junger Mann, der seither Joe nicht in Ruhe lässt. Er terrorisiert ihn mit Telefonanrufen, Briefen und stellt ihm nach, weicht ihm nicht von der Seite. Er liebt Parry seit er ihn das erste Mal gesehen hat und glaubt fest daran, dass Joe ihn genauso liebt. Parry leidet an Liebeswahn. In kürzester Zeit reißt diese Situation eine Kluft zwischen Joe und Clarissa und Parry droht ihre Ehe zu zerstören oder gar ihr ganzes Leben...

Meine Meinung:

Ian McEwans Erzählweise, hat mich von der ersten Sekunde an mit Beschlag belegt. Mehr noch: sie hat mich fasziniert. Niemanden sonst kenne ich, der derart schreibt. Es fehlt mir völlig an einem Vergleich; vielleicht nicht verwunderlich, denn McEwan setzt selbst Maßstäbe.

Das Besondere an seinem Stil zu beschreiben, ist schwer. Schon auf den ersten Seiten nimmt er sich künstlerische Freiheiten heraus. So zelebriert er beispielsweise die Ausgangsszene. Also den Moment, an dem für Joe - Ich-Erzähler und somit Hauptfigur - alles anders wird. Der Wendepunkt in seinem Leben. Hier hält der Autor für einen kurzen Augenblick das Geschehen an. Standbild sozusagen. Als Leser kann man nun die Möglichkeit nutzen sich in der Handlung umzuschauen. Die Szene aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und mit Joe ein wenig darüber lamentieren, was dort geschieht, warum es geschieht und welche Folgen es haben wird oder haben könnte. Ein eigentümliches Gefühl als Leser derart in eine Handlung integriert zu werden. So fühlte es sich zumindest für mich im Moment des Lesens an.

Eine weitere Extravaganz liegt sicher darin, dass McEwan zahlreiche naturwissenschaftliche Aspekte einfließen lässt, die nicht dringend für die Handlung benötigt werden. Diese flicht er dennoch mit Fug und Recht ein, denn Joe ist Naturwissenschaftler. Vollkommen verständlich also, dass er sich vieles auf die ihm gegebene Art versucht zu erklären oder sich ganz einfach in seinem alltäglichen Leben damit beschäftigt. Die Kunst des Autors besteht hier viel mehr darin, diese sachlichen, trockenen, wissenschaftlichen Erkenntnisse so einzubinden, dass sie sich mit Joes persönlichem Desaster verbinden. Denn zunächst einmal hat das, was Joe hier durchlebt, keinen Bezug zu den erörterten wissenschaftlichen Thesen. Nahezu elegant wirkt das Ganze im Hinblick auf Joe als Person: er ist Rationalist durch und durch. Das, was er hier erlebt, erschüttert seinen rationalen Geist aufs Äußerste. Und hier schließt sich dann der Kreis. Ein Geniestreich, die naturwissenschaftlichen Vergleiche und Sinnbilder einzubauen, um Joes rationale Persönlichkeit, gemessen an der hier durchlebten Situation, auf den Prüfstand zu stellen.

Ein weiteres Kunststück McEwans besteht darin, die physikalischen, chemischen und biologischen Erläuterungen so zu schildern, dass sie den Leser nicht langweilen. Im Gegenteil, trotz dass die Geschichte so spannend ist, wartet man schon ungeduldig und wissbegierig auf den nächsten Ausflug in die Welt der Naturwissenschaften.

So verbindet der Autor Spannung mit lehrreichem Material und packt das Ganze in eine wunderschöne Sprache, bei der man ins Träumen geraten kann. Dass man dieses komplexe Buch nicht einfach so in einem Rutsch weglesen kann - das erging zumindest mir so -, da das Gelesene viel Aufmerksamkeit erfordert, stört nicht. Umso länger hat man etwas von diesem schieren Lesegenuss und umso intensiver wird er.

Welch akribische Recherche dem Roman vorausgegangen sein muss, lässt das zum Schluss angefügte Literatur- und Quellenverzeichnis erahnen. Joe würde solch eine präzise Arbeit sicher zu schätzen wissen. Er hätte sich keinen besseren „Schöpfer“ als Ian McEwan wünschen können.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass auch das Ende eine Überraschung verbirgt, die McEwan gelungen ist! Das Buch wird mir unvergesslich bleiben und ich bin schon unglaublich neugierig auf alle anderen Romane dieses Autors, von denen es glücklicher Weise einige gibt, deren Inhaltsangaben sich eine interessanter liest als die andere! (Petra)

Bewertung: **** (manchen Büchern wünscht man einen 5. Stern - z. B. diesem!)

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: 357 Seiten, Taschenbuch Ausgabe, Diogenes Verlag, 9,90 €

[Home] [Rezensionen] [Neuigkeiten] [Specials] [Autorenberichte] [Interviews] [Events]
[Tipp des Monats] [Taras Literatur-Film-Tipps] [Dykes Ohrenleser-Tipps] [Diskussionsforum] [Chat]
[Gästebuch] [Links] [Über mich] [Pressespiegel] [AGB] [Impressum/Kontakt] [Disclaimer]
© 1998 Buecher4um, erstellt am 18.07.2004, letzte Änderung am 29.07.2004, Layout by abrakan