Inhalt:
Kurz
nach Ende der Ballsaison, ein paar Tage vor Weihnachten, trifft sich die
gehobene viktorianische Gesellschaft auf den Landsitzen um zu plaudern, zu essen und Intrigen zu
schmieden.
Auch
die Brautschau kommt nicht zu kurz; Witwen scharren sich um
heiratsfähige Männer, um wieder einen Stellenwert im
gesellschaftlichen Leben zu erlangen. Frau zählt nämlich nur über
ihren Mann.
Eine
Strafe ist es, wenn man nicht mehr zur Gesellschaft gehört,
geschnitten und gemieden wird, denn dann kann man unter
Seinesgleichen nicht mehr leben. Da eine Frau dieser Kreise und
dieses Zeitalters jedoch nichts anderes gelernt hat als
herrschaftliche Häuser zu führen, hübsch auszusehen und zu repräsentieren,
wird sie auch mit eigener Hände Arbeit ihre Existenz nicht mehr
sichern können, denn in der Schicht der Arbeitenden wäre sie
ebenso deplaziert. Das Ende wäre vorprogrammiert.
Genau
dieses Ende sieht Isobel vor sich, als sie vor die Aufgabe
gestellt wird, den Abschiedsbrief einer Selbstmörderin zu deren
Mutter zu bringen. Schließlich scheint sie die Frau durch eine
leichtsinnige Bemerkung in den Tod getrieben zu haben.
Widerstrebend begibt sie sich auf den Weg.
Sie
muss diese Reise nicht allein antreten, Lady Vespasia bietet sich
als Begleitung an. Dabei scheint auch sie nicht nur uneigennützige
Motive zu verfolgen. Die Reise wird jedoch schwieriger als gedacht
…
Meine Meinung:
Weihnachtsgeschichte,
mit der Betonung auf 'Geschichte' in der Zeit vor Weihnachten – Das
sollte man sich vorstellen, wenn man die Erwartungen an
das Buch für sich festlegt. Der Todesfall ist nicht so
gravierend, dass man
hier einen echten Krimi erwarten kann. Und Weihnachten findet nur in
den Herzen einiger Personen statt.
Ich
war enttäuscht von dem Buch. Ich hatte Spannung,
Weihnachten, und Idylle mit Crime erwartet und nichts in dem Maß
bekommen, wie gewünscht. Die Heldinnen machen sich zu einer Reise
auf, die sie nicht so schnell ans Ziel führt. Der Weg wird immer
schwieriger, sie müssen mehr Etappen auf sich nehmen als gedacht.
Crime findet leise statt. Einige Personen haben Unwahrheiten von
sich gegeben, diese kommen ganz langsam und nicht für alle sichtbar ans Licht.
Weihnachten
reduziert sich auf weihnachtlich gestimmte Herzen, Vergebung und
innere Läuterung, eine viktorianische Weihnachtsfeier, wie
erhofft, habe ich nicht erleben dürfen.
Was die Geschichte rettet, ist Anne Perrys Kunst Bilder im Kopf
herauf zu beschwören. Ein Bild von der Gesellschaft, die sich auf
dem Landsitz zusammen gefunden hat, stellt sich schnell ein. Die
Autorin charakterisiert Umstände, Zeitgeist, Personen und die
Landschaft bildreich, die Sprache deutet viel an, führt aber
nicht bis zum Exzess aus. Andeutungen sind, analog zum Geist der
Zeit, vorherrschend, der Leser blickt hinter die verlogene Fassade
der Gesellschaft. Es entsteht langsam eine Art ‚Sittengemälde’
vor dem geistigen Auge. Allein deshalb ist das kleine Büchlein
doch noch akzeptabel. Distanz herrscht vor, Gefühl bleibt eher
auf der Strecke. Dies passt in die viktorianische Zeit
besser als in die Weihnachtszeit.
Schade
– so leise und ohne Schmuck müssen Weihnachtsgeschichten dann doch nicht sein.
(Binchen, Dezember 2004)
Bewertung:
**
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos:
Heyne,
gebunden, 12,00 €, ca. 120 Seiten, ISBN:
3453430263
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