Liebe Tamy,
auch hier, im Hoerbuecher4um, ein ganz herzliches Willkommen an Dich netten und interessanten (sowie interessierten) Mitstreiter. Deine Frage ist gut. Nicht gut ist, wenn man sich einfach auf ein (erstes) Hörbuch stürzt, ohne sich zu informieren, was ein Hörbuch kann, und was es nicht kann.
Für mich kann ein Hörbuch ein Buch nicht ersetzen. Es kann mein Leseleben aber ergänzen!
Es bleibt ja nie genug Zeit, alles zu lesen, was einen interessiert. Und hören kann man zu Zeiten, in denen man kein Buch zur Hand nehmen kann. Einige können gut hören, wenn sie Auto fahren, andere bei der Hausarbeit, beim stricken, beim Sonnen (so wird auch das Gesicht braun
). Ich höre z. B. immer morgens wenn ich mir (ich gestehe) sehr ausgiebig die Zähne putze, und wenn ich mich schminke, eincreme etc.. Besonders gern höre ich auch Hörbuch während ich putze oder Gemüse schäle. Das sind einfache Tätigkeiten, bei denen ich mich nicht konzentrieren muss. Da kann ich gut dabei hören. Besser sogar, als wenn ich einfach still sitze, da schweifen meine Gedanken schon mal sehr ab. Als ich alleine gewohnt habe, habe ich auch gern ein wenig vor dem einschlafen gehört. Allerdings störte mich daran, dass ich am nächsten Tag nicht mehr wusste, wo ich überhaupt stehen geblieben war. Jedenfalls sind das alles Tätigkeiten, während denen man nicht lesen kann. Hören aber.
Ein Buch, das mich ganz besonders interessiert, lese ich lieber. Ich höre also eher die Sachen, von denen ich weiß, dass ich eh nicht dazu komme sie zu lesen, weil es einfach immer noch interessanteres gibt. Oder aber Genres, mit denen ich lesend nicht so gut zurecht komme.
Etwas, was anders ist beim hören als beim lesen, ist dass die Gedanken viel schneller abschweifen, weil hören mehr nebenbei passiert, als lesen. Man hört, auch wenn man abgelenkt ist. Beim lesen würde man dann unterbrechen, zurückblättern o. ä..
Wenn ich Zeit habe, ohne etwas anderes machen zu müssen (putzen o. ä.), dann gewinnt immer das Buch! Denn ein Buch ist für mich unersetzlich, und ich baue beim Lesen eine engere Beziehung zu den Figuren auf. Ein vielversprechendes Buch möchte ich mir deshalb nicht durch den vermittelnden Sprecher schmälern lassen. EIn Hörbuch ist aber z. B. geeignet, wenn ich weiß, dass mir für ein Buch der Atem fehlen würde. Weil mir die Schreibweise nicht liegt, oder weil das Thema mich zwar interessiert, aber nicht über eine lange Strecke als Buch fesseln würde.
In ganz seltenen Fällen, überragt das Hörbuch aber auch mal das Buch. Das kann ein subjektives empfinden sein, weil der Sprecher dem Hörer z. B. einen Zugang zu einem Autor/Buch verschafft, den man selbst so nicht erhalten hätte. Mir ging das z. B. so bei Albert Camus‘ „Der Fremde“ (hier meine
Rezension). Auch ein tolles Beispiel für ein Hörbuch, das dem Buch noch überlegen ist, ist Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“. Er hat ein überraschend ernstes (also nicht humorlos, aber nicht albern!) Buch über eine von ihm gemachte Erfahrung geschrieben. Die Krönung jedoch ist, wenn man seine Stimme dabei hat. Autorenlesungen gehen meistens nicht gut, da ein Autor nun mal kein Sprecher ist. Aber in dem Fall glückt es – und erhält einen ganz eigenen zusätzlichen Reiz dadurch, dass er es selbst liest. Hier ein Link zum meinem
Tipp des Monats von damals. Von dort aus geht es auch zu einer Rezension, die habe ich aber nicht verfasst, sondern ein ehemaliges Forenmitglied.)
Da das Hörbuch aber auch eine ganz eigene Kunstform ist, hat es auch andere Möglichkeiten als der geschriebene Text. So war ich überaus überrascht, als mir Klaus Kinski (der mir zuvor nur unheimlich und suspekt war) so manches Gedicht derart mit Leben gefüllt hat, dass es eine neue Dimension erreichte. Hier die
Rezension zu einer CD mit Rezitationen von ihm, von einer Forenmitstreiterin. Es gibt auch eine Sammlung, die ich besitze. Da widmet sich Kinski pro CD einer Person. Schiller, Goethe, Brecht etc.. Hier merkt man, was ein Hörbuch alles kann, was ein Buch (in der Form) nicht kann. Aber auch hier gilt: Das muss nicht jedem liegen. Manch einer möchte ein Gedicht vielleicht lieber selbst auf sich wirken lassen. Denn der Sprecher interpretiert – ob er es will oder nicht – einen Text. Und somit steht er zwischen dem Autor und dem Leser. Er vermittelt. Und wenn dem Hörer die Art des Sprechers nicht liegt, wird es schon schwierig.
Es gibt auch Sprecherleistungen, die schon rein objektiv schlecht sind. Weil es einfach kein guter Sprecher ist. Wenn Du an solch ein Hörbuch gerätst, gerade zu Anfang, kann Dir das die Hörbücher auf immer verleiden. Deshalb ist wichtig, dass Du Dir was gutes heraussuchst. Und dabei können wir Dir vielleicht helfen.
Gut wäre, wenn Du uns sagst, was Du gerne liest, so dass wir schauen können, welche Hörbücher da gut passen könnten. Parallel kannst Du auch schon mal in unserem
Thread Lieblings-Hörbücher schauen. Da kannst Du wenigstens schon mal sicher sein, dass der Sprecher objektiv betrachtet gut ist. Auch unser
Thread Einsteiger-Tipps ist sehr hilfreich, denn er macht Dich auf ganz vieles aufmerksam, worauf man bei Hörbüchern unbedingt achten muss. Z. B. dass Du unbedingt darauf achten musst, ob ein Hörbuch gekürzt ist (also nicht das komplette Buch gelesen wird, sondern Kürzungen/Straffungen vorgenommen wurden). Oder aber Hörspiele und Features: Das ist wieder ganz anders zu betrachten. Wenn Du gezielt nähere Fragen hast, fragt. Wir antworten gern!
Ich hoffe, ich konnte Dir schon mal einen Überblick geben, wo die Vorteile und Nachteile eines Hörbuchs liegen. Und wann ich persönlich höre, und was.
Edit: Ich sehe gerade, dass inzwischen auch Steffi schon etwas zu dem Thema hier geschrieben hat, während ich noch am tippen war. Schön, dass Steffi noch weiters positive Aspekte des Hörbuchs nennen konnte. Und das tolle Hörbuch von Hape Kerkeling hat auch sie genannt - schön.