Inhalt
/ Meine Meinung:
Was für ein
Buch? Schon nach den
ersten Seiten war mir klar, dass es mich positiv beschäftigen würde,
der Lesesog griff schnell über. Aber ich muss wohl am Anfang
beginnen, damit meine Faszination klar wird.
Eine Hure, eine
Biografin, eine Nonne, eine Psychologin und eine Schauspielerin,
was haben diese Frauen gemeinsam? Sie haben denselben Mann
geliebt, oder waren besser gesagt, von ihm besessen.
Dieser Mann war
nicht einmal besonders schön, nur charmant, ehrlich, witzig,
anziehend und besonders intelligent. Leider allerdings gleichfalls
notorisch untreu, verlogen und zerstörerisch. Jedoch hat jede
dieser Frauen ihn auf ihre Art geliebt, und auch er hat sie auf
seine Weise geliebt und gebraucht, auch im Sinne von benutzt, und
auf diverse Arten - verlassen.
Trotzdem kann
keine der Frauen diese Liebe vergessen. Salomon Schwarz, Sohn jüdischer
Eltern, genannt Mon, ist in diesem Roman der Mann, um den sich
alles dreht. Der Charmeur ist Journalist, schreibt
Filmrezensionen, Bücher und vor allem TT's - Das sind eigentlich
Briefe, häufig besonders an seinen Vater gerichtet, die in einer
Zeitung als Kolumne erscheinen.
Diesem TT
verdanken wir auch den Titel, steht es doch für totus tuus, 'Ganz
der Ihre' oder 'Ganz der Deine', aber nicht nur das. Es ist auch
eine Analogie zu seinen Initialen SS. Diese Wahl seiner Eltern hat
ihn sein Leben lang beschäftigt. Wie konnten seine jüdischen
Eltern diese Initialen aussuchen, wo damit doch der Hass gegen die
Unterdrücker von einst ständig gegenwärtig sein muss? Lag es
daran, dass sei ihren Sohn nicht liebten? Und auch ein Moment aus
Mons Kindheit ist mit diesem Begriff verbunden.
Dieser zentrale
Aspekt, das ungeliebte Kind seiner Eltern zu sein, beschäftigt
uns als Leser, das ganz Buch über. Aber nicht nur dieses
ungeliebte Kind kommt vor. Auch die anderen Hauptpersonen kämpfen
mit ihrer Herkunft und dem Elternhaus. Diese vielen Facetten der
Selbstfindung faszinieren an dieser Geschichte.
Eltern-Kind-Beziehungen und deren Problematik sind danach
allgegenwärtig, um das Verstehen kämpfe ich nicht allein. Dieser
Bezug zu meinem Leben machte das Buch so wertvoll für mich.
Die ganzen
Geschichten kommen einem bekannt vor, wenn man I.M. von Connie
Palmen gelesen hat. Ischa muss es sein, von dem sie schreibt, Ischa und sein Leben. Aber nichts davon ist Wiederholung von I.M..
Alles wird uns aus neuen Blickwinkeln, eben denen der
verschiedenen Frauen, geschildert. Und damit sehen wir andere
Mosaiksteinchen und Bilder von ihm.
Dieses Buch
richtig zu würdigen, wenn man es erst einmal gelesen hat, scheint
ihm wenig gerecht zu werden. Ich war häufig damit beschäftigt
zurückzublättern, von welcher der Frauen einzelne Aspekte schon
genannt wurden, ob nicht noch mehr Zusammenhänge zu finden sind.
Ich fand es einfach unmöglich die vielen Stränge und
Verbindungen sofort zu durchschauen, zu behalten oder sogar
komplett zu begreifen. Dazu gehört vielleicht auch I.M. auf den
Nachttisch, das zum Nachschlagen herangezogen werden sollte. Wo
finden wir Connie Palmen wieder? In
welchen Aspekten der Figuren, oder ist sie doch zum größten Teil
Charlie, die Biographin oder
doch mehr Saar de Vries die Psychologin? Und damit wäre man dann
auch schon in eine Forschungsarbeit über Connie Palmen
verstrickt, die einen monatelang spannend beschäftigen könnte.
Vor allem die
Sichtweise durch Charlies Brille gibt uns die Distanz, zu
beobachten. Die Tränen blieben bei mir diesmal aus, trotzdem war
das Buch nicht weniger berührend und eindringlich als I.M. .
Für mich kam
ein weiterer interessanter Aspekt hinzu. Die
Eltern-Kind-Beziehungen wurden auch in dem Buch, das ich vorher
gelesen hatte besonders gewürdigt. Einige Parallelen zwischen 'Vier
Frauen' von Valerie Wilson Wesley und ' Ganz der Ihre' waren
unverkennbar. Zwei ganz unterschiedliche Ansätze das Thema zu
behandeln und beide so anschaulich und beeindruckend. Das
lockerere Unterhaltungsprogramm der schwarzen Autorin und die
psychisch und verbal so treffende Analyse von Connie Palmen. Ist
es Zufall, das beide Bücher gleichzeitig erscheinen?
Connie Palmen
hat ein würdiges Nachfolgebuch zu I.M. geschrieben,
das auch für sich allein stehen kann. Es wird sicherlich noch
mehrmals gelesen und vertieft werden. Für mich ist es ein ganz besonderes Buch. (Binchen,
Februar 2004)
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: Diogenes Verlag, 432 Seiten, HC, ISBN
3-257-06394-6,
Erscheinung: im März 2004
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