von Petra » Mo 22. Mär 2010, 15:35
Hallo zusammen,
am Wochenende habe ich endlich die Verfilmung von William Somerset Maughams "Der bunte Schleier" gesehen.
Sowohl von der Kulisse her, als auch von der Besetzung eine einmalig gute Umsetzung der Vorlage. So habe ich mir das chinesische Dorf vorgestellt, in dem Walter und Kitty Fane gegen die dort ausgebrochene Cholera und ihr Schweigen und ihre Verachtung (seit Kittys Ehebruch) ankämpfen.
Edward Norten verkörpert Walter Fane perfekt. Genau so habe ich ihn mir vorgestellt: optisch und in seinen Aktionen und Reaktionen. Ebenso Naomi Watts als Kitty: klassisch schön und oberflächlich. Aber an ihrer Ausgangssituation wachsend.
Auch Charles Townsend ist perfekt getroffen! Ebenfalls der Nachbar – und Freund – dort im Cholera-Gebiet ist perfekt besetzt. Genau so stellt man sich die Personen beim lesen vor!
An dieser Stelle möchte ich meinem Staunen Ausdruck verleihen, wie präzise Maugham die Figuren (und die Umgebung) wohl gezeichnet haben muss, dass den Machern dieses Films die gleichen Bilder vorschwebten wie mir. EXAKT so sahen für mich die Figuren auch aus. Mir war gar nicht bewusst, dass Maugham sie so genau beschrieben hat. Hat er – meine ich – auch nicht. Es ist eher so ein Eindruck, den er vermittelt. Umso erstaunlicher wie identisch meine Vorstellung mit dem hier aufgezeigten ist.
Kleine Hinzudichtungen (die Cholera betreffend) seien verziehen. Sie dienen der Dramaturgie, die solch ein Film wohl gebrauchen kann. In meinen Augen war das nicht nötig, es hätte gereicht wenn der Film sich auf Walters und Kittys Lage beschränkt hätte. Aber es stört nicht weiter.
Umso bedauerlicher sind die Abweichungen, das eigentliche Thema betreffend. Es folgen Spoiler. Wer das Buch noch lesen möchte, sollte vielleicht nicht unbedingt weiter lesen, wenn ihn Vorwegnahmen stören:
Walter und Kitty verlieben sich kurz vor Walters Tod doch noch inneinander, nachdem Kitty an dem was sie dort in dem Dorf erlebt, gewachsen ist. D. h. Walter erkennt dass Kitty sich gewandelt hat. Das gelingt Walter im Buch nicht. Das macht ihn aus. So edel und gut er ist, er ist nicht fähig zu verzeihen - auch nicht im Angesicht des Todes. Er kann nicht sehen oder anerkennen, dass Kitty eine andere geworden ist.
Auch Kitty verliebt sich im Buch nicht in Walter. Ihre Gefühlen bleiben für ihn unbeteiligt. Wie es im Leben ja nun mal ist: Man kann sich zu einem Gefühl der Liebe nicht zwingen. Das hat Maugham sehr glaubhaft angewandt. Im Film bekommt das ganze durch diese Wandlung einen Hollywood-Touch, den ich unpassend finde. Zumal er das, wofür Walter und Kitty im Buch stehen, schönfärbt/umgestaltet.
Das Kind, das Kitty erwartet, ist hier nur kurz ein Problem. Walter sieht ihr das im Film nach. Es sei letztendlich egal, ob es von ihm oder seinem Nebenbuhler ist. Das war im Buch nicht egal. Es war der klitze kleine Moment, wo Kitty (durch eine Lüge) Walter hätte umstimmen, hätte für sich gewinnen können, um ein würdiges Leben (wenn auch ohne ihre Liebe) führen zu können. Dafür war Kitty reif genug geworden und durch ihre schlechte Erfahrung mit Townsend und durch das was sie dort im Cholera-Gebiet erlebt hat. Walter hätte, so hat man beim lesen klar den Eindruck, dem Kind zuliebe seine Verachtung und seine Enttäuschung ein Stück weit verdrängen können. Sie hätten einen Neustart haben können. Wenn Kitty ihn nur in dem Glauben gelassen hätte, es sei gewiss sein Kind. Dass sie es nicht getan hat, ist bedeutend. Erstens ist der Punkt damit überschritten es noch zum Guten für sie und Walter zu wenden. Und zweitens zeigt sie damit doch schon auch Größe. Eine Lüge wäre einfacher gewesen.
Im Film verläuft all das im Sande und weicht einem weichgespülten Geschmuse. Zwar wird auch hier nicht plötzlich die große Liebe vorgegaukelt, aber schon voller Respekt und Zuneigung füreinander. Das ist völlig am Buch vorbei.
Ich erhalte mit dem Film das Ende was ich mir während des Lesens für Kitty und Walter gewünscht hätte (bestenfalls wäre Walter noch am Leben geblieben). Denn ich mochte beide - besonders Walter - sehr gern. Aber Maugham wollte was anderes aufzeigen. Und Maughams Ausgang des Ganzen wird mich nie loslassen. Der Ausgang im Film ist schnell vergessen. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Schade.
Ich bin nun nicht völlig unzufrieden mit dem Film. Immerhin durfte ich mich hier in dem trügerischen Schein (Schein, weil ich Maughams Ausgang kenne, den er Kitty und Walter zugedacht hat) wärmen, dass es für die beiden doch noch einen Weg zueinander gegeben hat. (Gut finde ich die Verfremdung trotzdem nicht!)
Und davon abgesehen bleibt vor allem auch der gute Eindruck der optisch so getreuen Verfilmung. Somit hat mir der Film schon Freude gemacht! Kitty und Walter mal in Fleisch und Blut zu sehen, war für mich ein schönes Erlebnis. Für mich sind die zwei nämlich unvergessliche Figuren geworden durch mein Leseerlebnis mit ihnen!