Hallo zusammen,
ich finde die Diskussion auch ungemein spannend und freue mich, dass Ihr das auch so seht - und es auch sagt!

Was die Sympathie für Lisbeth angeht, so sehe ich es auch so, dass die rein subjektiv ist.
Ebenso finde ich, dass es reine Geschmackssache ist, ob man die Überzeichnung von Lisbeth mag oder nicht.
Ich weiß für mich, dass ich mit der Überzeichnung hier im Buch schlecht zurecht käme. Beim Hörbuch (warum auch immer) kann ich sowas viel besser nachsehen. Beim Film sowieso (wenn es gut gemacht ist).
Mit Überzeichnung von Figuren habe ich bei Büchern generell Probleme. Aber manchmal geht's. Und das hängt dann von meiner ganz subjektiven Empfindung ab. Da kann dann der Autor unter Umständen nicht mal was für, sondern da passt es dann einfach zwischen dem Autor und mir nicht. P. J. Tracy z. B. hat auch überzeichnete Figuren (Monkey Wrench-Team). Allen voran die beiden Frauen: Annie besonders - sie ist sehr füllig aber ja ach so verführerisch. Kein Mann kann ihr widerstehen, da sie so sinnlich und hübsch ist. Das finde ich gut gemeint. Auch eine Frau mit mehr Kilos soll mal reizvoll dargestellt werden. Aber das passiert hier auf übertriebene Art. Denn auch auf eine Frau mit einer Topp-Figur stehen nicht ALLE Männer. Und es wird mir auch einfach zu oft betont. Ebenso Grace, die andere weibliche Hauptfigur. Verhaltensgestört, nie unbewaffnet und unnahbar. Ebenso extrem. Solche Menschen gibt es im wahren Leben nicht. Zumindest nicht so einseitig, wie sie hier geschildert werden. Aber bei P. J. Tracy kann ich es gerade noch so für mich hinnehmen. Weil es auch nicht so ganz, ganz ernst gemeint ist. Das Gefühl jedoch hatte ich bei Stieg Larsson nicht. Ich hatte das Gefühl, dass er mir durchaus einen realistischen Krimi mit realistischen Figuren erzählen möchte. Und da trägt er für meinen Geschmack einfach zu (!) dick auf. Ein bisschen Außenseiter und ein bisschen verschlossen wäre ja ok. Aber es sprang mich einfach so arg an. Bzw. plakativ ist schon das richtige Wort dafür.
Aber daran sieht man schon: Es ist eine Gratwanderung des Autors, aber auch eine Frage der Wirkung auf den einzelnen Leser. Da ist jeder ein bisschen anders und nimmt es anders auf.
Und ich kann schon wirklich gut verstehen, dass der ein oder andere Leser gerade an solch einer Figur großen Spaß hat! Denn Lisbeth ist tough und cool (richtiges Wort). Und somit auch mal was anderes! Ebenso in ihrer äußeren Erscheinung. Und das alles sehe ich auch für mich als nicht so uninteressant an, denn sonst würde ich ja nicht in Erwägung ziehen die Hörbücher zu hören. Sonst hätte ich das nach dem reinlesen für mich völlig abgehakt.
Ich bin nur froh über die Entscheidung, da ich ja Silkes Spoiler gelesen habe und weiß, wie solch eine Szene auf mich gewirkt hätte. Ebenso wie auf Doris. Da wäre es für mich auch wirklich eine Überwindung gewesen noch Band 3 zu lesen.
So bin ich jetzt froh, für mich zu wissen, dass die Hörbücher (und der Film) für mich besser geeignet sein werden und auch dass ich nun auf diese eine Szene vorbereitet bin, in der meine Fantasie doch sehr strapziert sein wird.
Und mir geht es genauso wie Dir Binchen: Wieder ein wenig mehr über die Lese-Vorlieben und -Abneigungen des Anderen gelernt. Mich fasziniert das ja auch immer wieder und freue mich über solche Gelegenheiten an denen man dann mehr vom Andern verstehen kann. Du hast das richtig erkannt: Unglaubwürdigkeit (zu große Fantasie ebenfalls) ist bei mir ein Punkt, über den ich ganz schlecht drüber kann. Und Antihelden (oder auch mal Außenseiter) mag ich gerade WEIL sie viel glaubwürdiger sind und so richtig aus dem Leben gegriffen. Sie dürfen für mich sogar ruhig unsympathisch sein, wenn ich nur sehe: Ja, solche Menschen gibt es und hier darf ich mal einen begleiten und mir SEINE Sicht der Dinge anschauen! Die Welt aus seinem Blickwinkel sehen und verstehen. Ich habe aber auch nichts dagegen, wenn mir ein Antiheld oder Außenseiter sympathisch ist. Aber in beiden Fällen muss er für mich glaubhaft sein. Lisbeth ist das für mich nicht, weil sie alle Merkmale eines Außenseiters bekommen hat (auch schon rein äußerlich, damit es auch keiner übersieht!), andererseits aber anscheinend so manche Superhelden-Eigenschaft mit auf den Weg bekommen hat und ach so tough und ach so cool ist. Das hat dann seinen ganz eigenen Reiz, der aber nicht so meiner ist (in Buchform). Und der nicht solch einen Außenseiter oder Antihelden aufzeigt, den ich meine.
Die Szene wie sie ihren Vorgesetzten da angeht hatte schon was. Aber eben nicht allzu viel glaubwürdiges. Deshalb höre ich sie mir lieber im Hörbuch an!

Ungemein spannend finde ich wie hier die Empfindungen/Meinungen/Eindrücke auseinander gehen. Bzw. schon dasselbe sehen, aber anders beurteilen. Schön, dass es solche Diskussionen gibt! Und ich hätte bei Stieg Larsson damit nie gerechnet, da man - da stimme ich mit Silke überein - eigentlich nur positives über die Trilogie hört (von der Detailverliebtheit und der Markenwerbung absieht - hat ja auch niemand völlig kritiklos die Bände gelesen, sondern einfach nur eine andere Vorliebe dafür). Umso schöner, wie sich das hier entwickelt.
Genau: Ihr anderen, die Ihr Stieg Larsson gelesen ahbt, was sagt Ihr zu alle dem?
Und auch, die Ihr Lisbeth gerne mögt und hier schon was zu den Bänden gesagt habt: Wie steht Ihr zu der gespoilerten Szene über die Silke und Doris beim lesen so gar nicht weggekommen sind? Wie geht Ihr mit solchen Szenen um? Wie gefallen sie Euch?