Hallo zusammen,
ich habe das Buch gestern noch zu Ende gelesen. Und nun brennt mir so einiges unter den Nägeln. Auf Eure Spoiler kann ich auch endlich eingehen. Für alle, die das Buch noch nicht beendet haben, bitte jetzt nicht weiterlesen - der ganze Beitrag ist voller Spoiler!
Ich glaube dass Cassie oft nicht ganz nachvollziehbar ist, liegt eigentlich nicht
an Cassie (in kursiver Schrift, da natürlich eh klar ist, dass Cassie ja nur eine Romanfigur ist… aber wollen wir sie mal als real ansehen) sondern an Tana French. Als sie „Totengleich“ schrieb, hatte sie sicherlich einen Plan, welchen Verlauf die Geschichte nehmen sollte. Worauf sie hinauslaufen sollte. Und so war Tana French klar, dass sie es irgendwie hinkriegen musste, dass Cassie vor Frank einige Dinge verheimlicht. Denn sonst hätte ein Plot ja nicht funktioniert, in dem Daniel bis zum letzten alles gibt für seinen Traum und somit auch für seine Freunde, weil sein großer Traum ja ganz eng an diese absolute Freundschaft geknüpft war. Dann hätte es nicht so ausgehen können, dass Daniel den eigentlichen Täter bis zum letzten schützt. Sonst hätte die Polizei Justin dran gekriegt. So wäre das Ende sowohl in sofern anders gewesen, als dass Justin in den Knast gewandert wäre, als auch dass Daniel dann nicht gestorben wäre – was schade gewesen wäre, denn durch seinen Tod wurde Cassie und somit dem Leser ja noch mal mit voller Wucht deutlich, wie ernst er seinen Traum nahm. Wie real diese Idee für ihn war. Das war auch ein Punkt, den ich ganz besonders faszinierend an dieser Geschichte fand.
Jedenfalls hat Tana French – so habe ich es im Nachhinein empfunden – Cassie somit einige Dinge tun lassen müssen, um die Geschichte in diese Richtung lenken zu können. Deshalb durfte Cassie Frank nicht alles sagen. Deshalb musste Cassie hin- und hergerissen sein zwischen sich verlieren in dieser Wohngemeinschaft und zwischen dem Ehrgeiz den Fall aufklären zu wollen.
Und somit würde ich – um genauer zu sein – nicht sagen, dass Cassie manchmal nicht so ganz nachvollziehbar war (war sie wirklich nicht – finde ich auch… also bitte nicht missverstehen), sondern dass Tana French da nicht so ganz 100%ig gelungen ist, Cassies Motive besser/glaubhafter zu schildern. Aber ich weiß schon, das ist eine Spitzfindigkeit, denn genauso meinst Du, liebe Rachel es auch. Mir ist einfach nur im Nachhinein aufgefallen, dass Tana French die Geschichte an manchen Stellen ein bisschen zu sehr konstruieren musste, um sie so geschehen zu lassen, wie sie geschehen ist. Das ist ihr im groben Ganzen gelungen, aber nicht in allen Feinheiten. So meine ich.
Schöner wäre es somit gewesen wenn sie das noch etwas besser ausgefeilt hätte oder noch besser hinbekommen hätte. Aber ich will nicht meckern, denn letztendlich zählt, dass die Geschichte außergewöhnlich war und unheimlich Spaß gemacht hat zu lesen! Ich möchte sie im Verlauf nicht anders haben. Und da nehme ich die kleinen Schwächen „gerne“ hin.
Vielleicht war Rob trotz seiner Fehler und Fehlentscheidungen deshalb nachvollziehbarer als Cassie, weil Tana French seine Handlungen in „Grabesgrün“ nicht so sehr zurechtbiegen musste, wie Cassies in „Totengleich“. Der Plot in „Grabesgrün“ funktionierte unkomplizierter. Robs Handlungen mussten nicht so doppelbödig verständlich sein, wie Cassies. Tana French musste in „Totengleich“ immer sowohl Franks Sicht auf die Dinge, bzw. seinen Kenntnisstand erklären und mit Logik füllen, als auch den wahren Kenntnisstand. Ich glaube daran krankt die Glaubwürdigkeit Cassies an manchen Stellen.
Rachel, Deine Idee, dass Tana French es auch so hätte machen können, dass zum Schluss im Raum stehen bleibt ob Daniel es wirklich war oder einer der anderen und wenn ja wer, ist auch interessant! Ich freue mich, dass ich weiß, dass es Justin war. Aber Deine Idee hätte absolut auch ihren Reiz. Aber auf diese Art wie Tana French es gelöst hat, hat sich für mich noch ein Doppeleffekt ergeben: Cassie hat ihre Freunde auch nicht verraten. Sie hat Justins Freiheit und Daniels Wille über den korrekten Ausgang des Falls gestellt. Das fand ich irgendwie auch noch ein i-Tüpfelchen. Fast ein bisschen schade, dass das anschließend nicht noch (z. B. durch einen der übrigen drei Freunde) erwähnt wurde.
Und den – ich will mal sagen – Doppel-Doppeleffekt hätte es auch nicht gegeben. Nämlich den, dass auch Frank sich ein Stückweit solidarisch gezeigt hat, bzw. etwas einfach freien Lauf gelassen hat. Nämlich eben diesem korrekten Ausgang, den er nicht erzwungen hat obwohl der gecheckt hat, dass Cassie ihm den wahren Täter (womöglich) verheimlicht. Auch er lässt es auf sich beruhen und gibt Daniels Wunsch somit – wenn auch in abgeschwächter Form – ebenfalls nach. Daniel hat somit durch seinen Tod wenigstens doch erreicht was er wollte. Und Cassie zumindest hat ihre Freunde nicht verraten oder den anderen Verrat an ihnen ein Stückchen wieder gut gemacht.
Dass das Haus zum Schluss noch abbrennt, ist zwar konsequent. Aber da sie es eigentlich mag, nicht alles zu Ende zu bringen, hätte ich hier einen offeneren Ausgang auch ok (oder vielleicht sogar besser) gefunden. Das Haus leerstehend, verlassen… mit Optionen auf Neues oder Wiederbelebtes. Irgendwann. Oder nie. Einen Tick besser hätte ich das gefunden, weil ich auch nicht so ganz logisch fand, dass der Typ es wirklich riskiert dort ein Feuer zu verursachen, wo er doch befürchten musste, dass dort gerade Polizei vor Ort ist. Kann man so und so sehen – ist also nicht so tragisch. Aber mir was das fast ein Tick zu viel Abschluss zum Ende hin.
Was ich neben diesen kleinen Unnachvollziehbarkeiten an Cassie wirklich schade fand, war dass Tana French sich völlig davor gedrückt hat zu erklären, wie diese frappierende Ähnlichkeit zwischen Lexie und Cassie zu erklären ist. Denn wenn man sich dermaßen ähnlich sieht, dann geht das m. E. nach nur wenn es sich um Zwillinge handelt oder wenn eine Person sich umoperieren lässt. Sich dazu einfach gar nicht zu äußern fand ich nicht so gut, denn das nimmt der Geschichte letztlich – wenn man näher drüber nachdenkt – komplett seine Glaubwürdigkeit. Denn die beiden müssen sich schon 1:1 geähnelt haben, sonst hätte diese Täuschung niemals funktioniert.
Ebenfalls merkwürdig ist ja auch, dass diese Person ausgerechnet in die Rolle der Lexie Maddison schlüpft. Also eine Person, die gar nicht mehr real existiert, weil sie eh nur erfunden war. Und die Frage ist auch, ob sie das nicht hätte in Erfahrung bringen müssen, um überhaupt in die Rolle der Lexie schlüpfen zu können? Denn wenn diese Lexie real gewesen wäre (und zudem noch am Leben) hätte das ja Probleme geben können/müssen - nicht zuletzt mit den Ämtern. Nicht sehr gut durchdacht, bzw. unzureichend erklärt.
Aber auch das ist für mich entschuldbar, da die Geschichte so toll erzählt war und ich in diese Welt nur zu gern abgetaucht bin. Bemängeln muss und will ich es trotzdem!
Robs Mini-Auftritt fand ich klasse! Das mag ich wiederum an Tana French sehr. Wie sie in dem Interview sagte, mag sie diese Wendepunkte im Leben, an denen alles anders wird. Sie sind realistisch. So läuft es – leider – oft im Leben. Dass Cassie und Rob keinerlei Kontakt haben, finde ich zwar schade, aber authentisch. Und dass sie einfach mal kurz anruft und dann nichts sagt, hat mir auch sehr gefallen. So kann es auch im echten Leben sein. Und wer weiß, vielleicht kreuzen sich ihre Wege ja noch mal. Tana French schließt das ja nicht aus. Oder aber wir Leser haben wenigstens mal irgendwann ein Wiedersehen mit ihm. Dass er einen kleinen Auftritt hier hatte, finde ich jedoch so oder so absolut gut! Und auch dass die Freundschaft in Cassies Gedanken immer noch so viel Raum einnimmt. Das ist absolut nachvollziehbar, und hätte Tana French das hier ausgespart, wäre ich enttäuscht gewesen. Denn solch einen Verlust nimmt man nicht einfach so hin. Der schmerzt noch lange.
Binchen, wie fandest Du selbst Robs Mini-Auftritt? Du hast Dich noch nicht dazu geäußert. Würde mich aber interessieren.
Auch auf Frank möchte ich noch mal zurückkommen. Rachel, Du schriebst, dass er sich letztenendes sogar für Cassie und Sam freut. Hm. Ich habe das nicht als so ganz aufrichtige Freude empfunden. In meinen Augen missgönnt er ihnen ihr Glück nicht. Den Eindruck hatte ich aber auch zu Anfang nicht. Er sieht die Verbindung skeptisch. Zu Anfang und auch zum Ende. Denn eigentlich lacht/lächelt er nicht über diese Verbindung, sondern
BElächelt sie in meinen Augen. Das meint er auch nicht böse. Ich nehme ihm das auch nicht krumm. Aber er hat – so habe ich das empfunden – schon auch weiterhin Zweifel an dieser Verbindung. Er sagt ja auch irgendwas in der Art, dass den Mann der Cassie heiratet beglückwünscht… aber für mich klang das leicht ironisch. So als würde er Sam bedauern, dass er sich auf eine wie Cassie eingelassen hat – die immer über ihn die Oberhand haben wird. Aber das mag natürlich eine Empfindungssache sein. Und es schürt nicht mal meine Antipathie gegen Frank. Ich fand diese Empfindung von ihm ehrlich und er lässt sie ja wie sie wollen. Hat halt seine eigene Meinung zu dieser Verbindung, die ja vielleicht auch gar nicht so falsch ist.
Ich persönlich habe mich aber auch gefreut, dass Cassie noch zur Besinnung gekommen und sich über ihre Gefühle klargeworden ist. Vielleicht waren ihre Gefühle für Sam zuvor nur zu sehr übertüncht von den unverdauten Dingen… so z. B. der zerstörten Freundschaft zu Rob. Zu erfahren wie es sich für Sam und Cassie entwickelt, fände ich sehr spannend. Ich hoffe auf ein Wiedersehen. Vielleicht wird ja wirklich mal ein Fall aus Sams Sicht erzählt. Ich fände das spannend, da er ganz anders an die Sachen herangeht. Mit weniger Emotion. Oder unterdrückter Emotion vielleicht.
Und vielleicht haben wir in Band 3 ja auch einen Mini-Auftritt der beiden so wie in Band 2 der Mini-Auftritt mit Rob? Ich fänd’s schön!

Selbst von den Nebenfiguren (Rafe, Justin und Abby) würde ich gern noch mal hören. Und aus Band 1 könnte ich mir sogar vorstellen, dass Rosalind noch mal einen Auftritt haben könnte…
… so richtig schließt Tana French die Akten/Geschichten ja nie. Und das gefällt mir auch an ihr. Denn im Leben ist am Ende eines Abschnitts auch nicht alles geklärt. Nur Hauptpunkte.
Mit Frank als Hauptfigur im 3. Band habe ich immer noch ein bisschen Bauchschmerzen. Er ist so anders… das kann (und wird bestimmt auch) spannend sein. Aber man trennt sich ja so ungern von dem, was man kennt und liebt. Mir fiel schon die Vorstellung schwer, dass Band 2 ohne Rob stattfinden wird. Da blieb mir aber wenigstens noch Cassie. Aber im Grunde jammere ich nur aus Ängstlichkeit, liebgewonnenes (Tana French-Bücher) nicht mehr in der Form erhalten zu können. Dabei bleibt es ja Tana French, die die Geschichten schreibt. Und im Grunde ist mir das auch 1.000 Mal lieber so, als wenn sich eine Serienfigur irgendwann abnutzt. Also meckere ich im Grunde über was, was ich eigentlich mag! Paradox!

Binchen, dass Daniel die anderen sozusagen eingekauft hat, finde ich einerseits nicht unrichtig. Andererseits zu krass gesehen. Da schließe ich mich eher Rachel an. Zumal ich denke, dass jeder Mensch egoistisch ist und aus seinen eigenen Motiven heraus versucht seine Ziele zu erreichen. Das hat Daniel in meinen Augen auch getan. Manipuliert, finde ich, hat er gar nicht so sehr oder so bewusst. Es war vielmehr wirklich sein tiefempfundener Traum, den er retten wollte. Was natürlich nicht gut ist – auf biegen und brechen. Aber ich denke, er hat nicht so deutlich gesehen, dass das, was er für das Beste für alle gehalten hat, nicht unbedingt auch für die anderen wirklich das Beste war. Ich denke seine Manipulationen entsprangen somit nur seinem Traum und waren gar nicht so bewusst gesetzt.
Auch ich denke, dass Daniel die anderen – wie Rafe sagte – mehr brauchte als die anderen ihn. Aber wie Rachel sehe ich auch hierin keinen Anhaltspunkt, dass er seine Freunde nicht aufrichtig geliebt hat. Ich denke, das hat er. Und er wollte das so erhalten wie es war, um seinetwillen (Egoismus), aber auch der anderen wegen, da er wirklich überzeugt war, dass es für sie das Beste ist.
Was ich aber nach wie vor merkwürdig finde, ist, dass er die anderen nicht eingeweiht hat, nachdem er Cassie enttarnt hat. Denn damit hätte er ja den Traum noch am ehesten retten können. Indem er noch mal alle beschwört zusammenzuhalten gegen die Polizei. Dabei zu bleiben nichts preiszugeben. Das wäre zu dem Zeitpunkt ja noch möglich gewesen. Sie hätten zwar ohne Lexie weiter machen müssen. Aber Daniel wusste ja, dass sie das eh mussten. Denn das Cassie nicht bis an ihr Lebensende dort ihre Undercover-Arbeit verrichtet, war ja klar. Ich denke auch hier hat Tana French eine kleine Unglaubwürdigkeit stehenlassen um den Plot erreichen zu können. Das ist für mich solch eine Stelle, an der ich das deutlich gespürt habe, bzw. auch im Nachhinein sehe, dass Tana French hier ein bisschen was hingebogen hat, um die Geschichte so verlaufen und ausgehen zu lassen, wie sie es geplant hat.
So, jetzt freue ich mich irrsinnig auf Band 3! Sobald jemand hört dass er (im Original) erscheint, sagt mir bitte bescheid! Denn das ist das Warten auf die Übersetzung absehbar!

Und ich bin sehr gespannt, was sich Tana French für diese 3. Geschichte ausgedacht hat. Und wie Frank als Hauptfigur so sein wird.