von Petra » Mo 8. Aug 2011, 10:21
Hallo zusammen,
Zeit, den Thread wieder hervorzuholen:
Zur Zeit lese ich den ersten der Rabbit-Romane von John Updike. Rabbit ist definitiv ein Antiheld. Es ist an ihm nichts, was man ernsthaft bewundern könnte. Er ist schwach, und in seiner Schwäche verantwortungs- und rücksichtslos. Lässt sich oft von seinen Trieben steuern, und verliert auch damit weiter an Charakterstärke. So recht vermag er nichts auf die Beine zu stellen, oder an seinem grauen Alltag zu verändern. Er entkommt für eine Zeit dem trüben Trott seiner Ehe und seines Lebens einzig durch einen Fluchtreflex. Wie ein Hase, der Haken schlägt, läuft er panisch davon. Als er an einer Tankstelle nach dem Weg fragt, ergibt sich ein bezeichnendes symbolisches Gespräch mit dem Tankwart. Dieser meint, dass man müsse wissen wo man hin will, um an sein Ziel gelangen zu können. Rabbit sieht das interessanter Weise anders. Und genauso handelt er auch: Er fährt drauf los, egal wohin. Und vielleicht wäre das gar nicht so falsch gewesen, wie es sich zunächst ausnimmt. Durch diese ziellose Flucht, wenn er sie nur konsequent verfolgt hätte, wäre er vielleicht weit genug fortgekommen, von seinem alten Leben.
Als Rabbit am Ende dieser Flucht zu seiner Frau zurück kehrt, geschieht das aus einem Anflug von Pflichtbewusstsein. Viel Sympathien bringt das Rabbit trotzdem nicht ein. Wie er seinen Trieb, seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt, ohne Rücksicht auf seine Frau, die gerade sein zweites Kind zur Welt gebracht hat, zeigt ihn wieder, wie er ist: Schwach, triebgesteuert, rücksichtlos…
… und doch kann man ihn für solche Dinge nicht wirklich verachten oder hassen. Sein Alltag und seine Ehe sind wirklich grau und trist. Das ist keine Rechtfertigung für sein Verhalten. Aber der Leser versteht auch ihn. Und das ist das tolle an John Updikes Kunst und an der Figur des Harry Angstrom (Rabbit). Für mich sind und bleiben die Antihelden und Außenseiter die interessantesten Romanfiguren.
Rabbits Leben werde ich weiterverfolgen. Ich bin sehr froh, dass John Updike die Tetralogie zu Ende bringen konnte, bevor er starb. Und sogar einen fünften Band hinzufügen konnte, was – da bin ich sicher – das Bild noch mal abrundet.