hinter mir liegen 9 CD's Rabenliebe von Peter Wawerzinek, gelesen von Michael Rotschopf.
Ich kann dieses Hörbuch all jenen Hörern empfehlen, die sich auf das Leben eines Jungen einlassen wollen, der in der DDR von der Mutter als Kleinkind verlassen wurde. Das Kind, das in Heimen und unterschiedlichen Familien aufwuchs und gerade deshalb ein halbes Leben lang Sehnsucht nach der unbekannten Mutter verspürte. Auf das Kind, das die Mutter finden musste um sich endgültig von ihr befreien zu können.
Ganz zu Beginn stellte sich mir die Frage, ob es sich hierbei um einen Roman oder eine Autobiographie handelt.
Nach Beendigung der Lesung habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich der Autor für die Romanform entschieden hat, um keine rechtlichen Schwierigkeiten, mit dem Benennen beteiligter Personen, zu bekommen. Aber, vielleicht irre ich mich in diesem Punkt auch.
Während ich die erste CD hörte, dachte ich mir, dass P. (steht im weiteren Text für Peter, Protagonist oder beides) eher professionelle Hilfe bräuchte als ein Buch über das Erlebte zu schreiben.
Nachdem ich alle 9 CD's gehört habe, sehe ich das differenzierter. Nur so war für P. die endgültige Befreiung von der Mutter möglich. P. ist sich über seine emotionalen Defizite durchaus im Klaren, hat gelernt, damit umzugehen.
Der Schreibstil des Autors gefällt mir sehr gut. Er beschreibt die Geschehnisse mit viel Wärme. Gleichzeitig bring er seine Emotionen gut zum Ausdruck.
Zum Inhalt des Buches verbietet sich mir jede Kritik. Das geht doch bei einer autobiographischen Vorlage nicht.
Jeder Satz ist wohl überlegt und genau so gemeint, wie er geschrieben wurde. Der Autor hat es sich wahrhaftig nicht leicht gemacht, über das Thema seines Lebens, der Muttersuche, in dieser Ausführlichkeit zu schreiben. Es muss den Autor eine riesengroße Überwindung gekostet haben, seinen Seelenschmerz zu beschreiben.
Es ist auffällig, dass P. die vielen Kinderreime und Metaphern genau dann einsetzt, wenn es um emotional stark aufgeladene Momente in seinem Leben geht. Ich empfinde dieses Stilmittel als den Ausdruck einer gezielten Verstärkung seiner Empfindungen.
Es hat mich ganz tief berührt, mit welcher Gefühlsarmut und Einsamkeit der kleine Junge aufgewachsen ist. Wie er hin und her gereicht wurde. Er konnte zu keiner Person ein Urvertrauen aufbauen, dass für die Entwicklung des Menschen von sehr großer Bedeutung ist. P. hat früh lernen müssen, dass er sich nur auf sich selbst verlassen kann. Auch körperliche Nähe muss für P. nur schwer zu ertragen sein, denn er hat keinen Trost im Körperkontakt als Kleinkind finden können. Freude oder Leid zu zeigen fällt P. Schwer, denn er hat gelernt, dass es besser ist, seine Empfindungen für sich zu behalten. Um seelisch überleben zu können musste P. sich eine Phantasiewelt erschaffen, die er Jahrzehnte Später als solche entlarvte.
Bei den letzten CD's des HB hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die Suche nach der Mutter so tief angstbesetzt ist, dass das persönliche Treffen immer weit hinaus geschoben wurde. Selbst, als P. Ihr räumlich schon sehr nahe war, ließ er sich gerne ablenken um damit noch etwas Zeit zu gewinnen.
Nach allem, was ihm die Mutter durch ihre Abwesenheit angetan hat, versucht P. Zeitweise noch sich in sie hinein zu versetzten und evtl. minimales Verständnis entgegen zu bringen. Er stellt sich vor, wie alles gewesen sein mag, als seine Mutter mit ihm schwanger war und kurz nach seiner Geburt.
Warum nur? Für mich gibt es für das Verhalten der Mutter keine Entschuldigung!
Ich kann in dieser Lebensgeschichte nicht neutral sein. Ich stehe auf der Seite von P. Ohne wenn und aber!
Die beschriebene Situation der Mutter rechtfertigt in keinem Fall, dass sie ihre Kinder verwahrlosen ließ und sie ohne jegliche Versorgung ihrem Schicksal überließ.
Wie dem Autor stellt sich auch mir die Frage, ob ein solches Verhalten kein Straftatbestand ist. Wird so etwas rechtlich nicht geahndet?
Wie ihr seht, habe ich beim hören des HB auch mit meinen eigenen Emotionen zu tun gehabt. Dieses Buch lässt einen mitfühlenden Menschen einfach nicht kalt.
Der Sprecher Michael Rotschopf hat mich absolut überzeugt. Ich finde, dass er den Ton in den verschiedenen Situationen genau getroffen hat und das war sicherlich nicht einfach.
Ich kann abschließend sagen, mir hat das Hörbuch so gut gefallen, dass es für mich ein weiteres Highlight dieses Jahres ist.
Ich kann das Buch in Form dieser Lesung absolut empfehlen!
Liebe Grüße
NatiFine,
von unterwegs mit Surf-Stick

