von Petra » Sa 2. Jul 2011, 13:40
Hallo zusammen,
ich habe heute beim Kuchen backen Anna Enquists „Letzte Reise“ beendet. Ich bin nach wie vor sehr begeistert. Für mich bisher das Hör-Highlight des Jahres!
So recht braucht man sich gar nicht zu fragen, wie nah Anna Enquist hier an den Tatsachen bleibt. An vielen Stellen bleibt sie recht offensichtlich nicht bei den Tatsachen, sondern dichtet vieles hinzu. Dadurch verliert sich aber auch der Wunsch, unbedingt die wahre Geschichte zu hören. Denn letztendlich sind so viele tiefe Wahrheiten in diesem Roman über Elizabeth Cook enthalten, dass Mrs. Cook einem vielleicht sogar näher kommt, als sie es könnte, wenn Anna Enquist sich nur an die Quellen gehalten hätte. Denn die geben wohl nicht genug her, um ein rundes Bild entstehen lassen zu können von der Frau im Hintergrund dieses großen Entdeckers.
Trotzdem habe ich natürlich direkt nach beenden des Hörbuchs versucht im Internet noch etwas herauszufinden. Denn die These, die Anna Enquist über James Cooks Tod aufstellt, hat mich dann doch beschäftigt. Es scheint nicht mehr als eine gewagte These zu sein. Mich würde interessieren, was andere darüber denken, die das Buch schon gelesen, oder das Hörbuch gehört haben. Auch würde mich interessieren, ob zu diesem Punkt im Buch noch etwas im Nachwort gesagt wird? Was hat Anna Enquist zu dieser These veranlasst? Vielleicht die Veränderung an Cooks Wesen, die sich wohl auch wirklich vollzogen hatte.
Und gab es wirklich einen Brief von Hugh Palliser, den er Elizabeth hat zukommen lassen? Wahrscheinlich nicht. Zumal Elizabeth ihn im Roman verbrennt, da zu befürchten ist, dass das Andenken ihres Mannes beschmutzt würde. Wenn es den Brief also wirklich gab, kann man ja wirklich nur mutmaßen, was drinnen stand.
Wie ist das eigentlich im Buch? Wann verbrennt sie diese Briefe? Direkt nachdem sie sie gelesen hat? Oder viele Jahre später? Auch hier würde mich der Wahrheitsgehalt interessieren. Hat Elizabeth Cook Korrespondenz zwischen ihr und ihrem Mann vernichtet?
Auch würde mich interessieren, ob es Anhaltspunkte gibt, die belegen, dass Elizabeth Cook und Hugh Palliser eine Freundschaft verband. Mehr verband die beiden wohl nur im Roman, den wenigen Infos zufolge, die ich im Internet aufschnappen konnte. Weiß jemand mehr?
Zurück zu dem, was der Roman möchte: Dieses Hörbuch hat mir ein Gefühl für Elizabeth Cook vermittelt. Ihr Leben, ihre Sorgen, ihre Schicksalsschläge. Aber auch für ihren Mann, was ihn wohl gedrängt haben mag, immer wieder zur See zu fahren, seine Entdeckungen, seine letzte Reise. Sein Seemannsleben an Land. Sein Ansehen.
Ganz ergreifend fand ich zum Schluss hin den Brief Hugh Pallisers an Elizabeth. Der Abschied des Mannes, der sie Zeit seines Lebens (im Roman) so liebte. Das hat mich sehr ergriffen. Diese Verbundenheit.
Es gibt noch etwas in dem Roman, was sicher nicht authentisch ist: die Sprache. Was Elizabeth ausspricht ist sicher nicht das, was eine Frau um die Zeit aussprach. Sich herauszunehmen, zu fragen, was sich z. B. Hugh Palliser eigentlich denke? Nein, das hätte es sicher nicht gegeben. Schon gar nicht so salopp formuliert. Ebenso die Gedanken über eine körperliche Vereinigung. Aber gerade dass Anna Enquist sich keine große Mühe gibt, diese Gedanken und Worte an die damalige Zeit anzugleichen, macht es wieder unwichtig. Es sind unwichtige Dinge in diesem Roman. Wichtig ist einzig die Innenansicht der Elizabeth Cook. Und vielleicht kommt Anna Enquist mit ihrer offenen Art näher an sie heran, als man es anders erreichen könnte.
Jedes Mal, wenn ich auf die Stop-Taste drückte, blieb die melancholische Stimmung in mir zurück, die Elizabeth Cooks Geschichte in mir auslöste. Ein Zeichen dafür, wie sehr Anna Enquist mit ihrem Roman in mich gedrungen ist. Sie hat mir ein starkes Gefühl für diese starke Frau (Stärke muss sie einfach besessen haben, in solch einem Leben) vermittelt, aber auch Interesse an James Cook und großen Respekt für seine Entdeckungsreisen, denen er sein privates Leben in großen Teilen geopfert hat. Auch das seiner Frau.
Zum Schluss hin hatte ich das Gefühl, dass hier die Kürzungen vermehrt gesetzt wurden. Das Ende wirkt etwas gestrafft und beschleunigt. Hier reut einen etwas, dass man nicht das Buch gelesen hat. Maria, falls Du das Hörbuch relativ zeitnah hörst und Vergleiche zum Buch anstellen kannst, so wäre ich daran sehr interessiert. Also, falls Du es demnächst mal hörst, teile es hier bitte mit, ja?
Zum Schluss bleibt nochmal zu erwähnen, dass Barbara Rudnik dieses Buch ganz hervorragend liest. Sie hat die Melancholie in sich aufgenommen und transportiert sie durch das gesamt Hörbuch, nimmt den Hörer damit genauso gefangen, wie Anna Enquist es angedacht hat.
Ich bin gespannt, was ich als nächstes hören werde. Im Moment kann ich mich gedanklich noch nicht von „Letzte Reise“ lösen. Das spricht doch sehr für das Hörbuch.